Der andere Blick auf den Krieg

Saarbrücken · Anja Niedringhaus reiste jahrelang als Fotografin in Krisengebiete. 2014 wurde sie in Afghanistan, das ihr besonders am Herzen lag, erschossen. Die Stiftung Demokratie Saarland widmet ihr nun eine Ausstellung.

Am 4. April 2014 wurde die Fotografin Anja Niedringhaus in Afghanistan erschossen. Vier schwere Verletzungen hatte die 48-jährige Kriegsfotografin in den letzten 20 Jahren zuvor bereits erlitten. Immer wieder war sie nach ihrer Genesung in die Kriegsregionen dieser Welt gezogen.

Niedringhaus arbeitete für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) im Irak, in Libyen, im Gazastreifen und in Afghanistan, eine der wenigen Frauen in diesem Beruf. Sie reagierte ungehalten, wenn sie darauf angesprochen wurde. Und doch fragt man sich beim Betrachten der Bilder in der noch von ihr konzipierten Ausstellung "At War", ob ein Mann ähnlich vorgegangen wäre. Niedringhaus war mit großer Sensibilität unterwegs. Bilder von Toten vermied sie, von Verletzten machte sie meist nur Detailaufnahmen oder bat um Erlaubnis für die Veröffentlichung. Sensationslust war nicht ihr Antrieb. Das Grauen des Krieges ist bei ihr in Gesichtern lesbar. In ihren Arbeiten finden sich viele Alltagsszenen, die oft mehr sind als bloße Dokumentation des Krieges. Viele erzählen ganze Geschichten. Immer wieder geraten die Soldaten selbst ins Blickfeld. Bei Niedringhaus sind sie keine Helden, eher abgekämpfte junge Männer fernab der Heimat. Wie Außerirdische stapfen sie durch die karge Landschaft oder sitzen in staubiger Kampfmontur auf einem prachtvollen Sofa in einem irakischen Wohnhaus.

Nur selten war Niedringhaus als "embedded Journalist" dabei, also unmittelbar mit Kampfeinheiten unterwegs. 2004 begleitete sie die US-Armee bei der Schlacht um Falludscha. Als erste deutsche Fotojournalistin bekam sie mit ihrem Team für diese Berichterstattung den Pulitzer-Preis. Ihr vielleicht berühmtestes Bild aus dieser Zeit zeigt einen US-Soldaten mit einer G.I.-Joe-Actionfigur als Talisman. Der Grat zwischen Pressefotografie und Kunst ist schmal. Bei Niedringhaus nicht. Fast jedes ihrer Fotos hat künstlerischen Wert. Auch wenn ihr der Zufall und etwas Glück in die Hände spielte, sind die Werke fein austarierte Kompositionen. Die Aktion findet fast immer im Bildmittelpunkt oder mit einer Bewegung dorthin statt. Die horizontale und vertikale Gliederung bringt Ruhe in die oft dramatischen oder dynamischen Szenen, nimmt den ersten Schrecken.

Niedringhaus' Fotos entstanden nicht in Serien, die sie dann zuhause sortierte und die besten Bilder heraussuchte. Sie wartete auf den richtigen Augenblick und löste aus. Im Zeitalter der Digitalkameras eine selten gewordene Arbeitsweise. In einem ihrer letzten Interviews sagte sie auf die Frage, warum sie sich die Strapazen antue, sie wolle als Zeitzeugin das kollektive Gedächtnis mitprägen. Das hat sie erreicht.

Bis 31. März. Mo-Do: 9-16 Uhr; Fr: 9-14 Uhr.

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