Warum Richard Wagner im Saarland besonders agile Freunde hat

Saarbrücken · Mit einem herausragend besetzten Festkonzert begeht der saarländische Wagner-Verband am 22. Januar sein 60-jähriges Bestehen. Gründe zum Feiern gibt es reichlich: Über die Jahre hat man Hunderte junger Musiker gefördert – darunter auch den heutigen Startenor Jonas Kaufmann.

Bloß ein Vierteljährchen älter als das Saarland, das just sechzigste: Kann das Zufall sein? Da muss es doch irgendeinen tieferen Bund zwischen Land und Richard Wagner Verband (RWV) geben. Nein, es waren, nachdem hier in den 30ern schon ein stramm nationaler Ableger des Wagner-Verbands deutscher Frauen spross, tatsächlich nur die persönlichen Kontakte der Gründungsvorsitzenden Otti Maurer zur Familie Wagner, die im September 1956 den Auftakt begünstigten. Jenes Clans, der seit Ableben des Text-und-Ton-Genies anno 1883 dessen Erbe mit fester Hand verwaltet.

Apropos Wagners: Wolfgang Schug, aktuell Vorsitzender des RWV Saar, und sein Vorgänger Hermann Kronz haben so gar nichts mit der weihevollen Verehrung im Sinn, die Wagnerianern gern unterstellt wird. Die derzeitige Festspielchefin in Bayreuth, Katharina Wagner, Urenkelin des übergroßen Richard, sehen Kronz und Schug kritisch. Kronz, mittlerweile Ehrenvorsitzender des RWV Saar, wünscht sich klar eine künstlerische Leitung, bei der die Frage "Wagner oder nicht Wagner?" kein Einstellungskriterium ist. "Das Dynastische ist nicht mehr zeitgemäß", befindet auch Schug.

2014 übernahm der Zahnarzt mit unkurierbarer Opernpassion den Verband von Kronz. Mit derzeit 246 Mitglieder steht man auf Platz 19 im internationalen Ranking der Wagner-Bünde. Vor Berlin (Platz 20) und den bekanntermaßen wagnerseligen Parisern (Platz 25).

Dass die Saarländer so blendend dastehen, bedeutet viel Arbeit, die sich vor allem Hermann Kronz anrechnen darf. Seit eigenen Kinderchortagen ist der 86-Jährige dem Saarbrücker Theater eng verbunden und im Beirat der Bühne ein unverzichtbarer Helfer. Viele Initiativen gehen auf ihn zurück. Gemeinsam mit der Saar-Uni befasste sich der RWV in einer "Ring"-Vorlesung, nomen es omen, vielschichtig mit Wagners Welt. Kronz suchte auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Universalkünstler. Zum 40-jährigen Jubiläum lud er Großkritiker Joachim Kaiser zum Vortrag ein, der dafür auch die "Gage eines Tenors" reklamierte. Kaiser erfüllte aber auch die Erwartungen, war Ankläger wie scharfzüngiger Anwalt des Komponisten beim Thema Wagner und die Juden. "Wir wissen ja auch, dass Wagner kein Heiliger war", meint Kronz.

Hauptaufgabe der Wagner-Verbände aber ist und bleibt die Förderung junger Musiker. Heute noch vergeben die Saarländer bis zu sieben Bayreuth-Stipendien pro Jahr. Die jungen Sänger und Instrumentalisten reisen dann zu den Festspielen, besuchen Vorstellungen, treffen Künstler. 800 Euro pro Person kostet das den Verband und Kronz viel Mühe. Vielen jungen Musikern aber hat das erst den Zugang zu Wagners Kosmos eröffnet. Und unter den Stipendiaten finden sich Opern-Weltstars wie Catarina Ligendza (1966 Stipendiatin) und Jonas Kaufmann (1995); beide sangen in ihren jungen Jahren an der Saarbrücker Bühne. Doch auch viele, die das Musikleben hier im Land bereichern, profitierten davon. Darunter Solisten am Staatstheater wie Judith Braun und Algirdas Drevinskas, aber auch Musiker wie Lutz Gillmann.

Darüber hinaus, betonen Schug und Kronz, unterstützt man das Staatstheater konsequent bei dessen Wagner-Produktionen, steuert meist fünfstellige Beträge zu. "Hören und fördern" lautet denn die Maxime des Verbandes, wobei man zum Hören gern gemeinsam auf Tour geht. Opernfahrten und Kulturreisen gehören zum festen Repertoire des Verbandes.

Vor zwei Jahren hat Wolfgang Schug den Vorsitz von Kronz übernommen. Mit 55 noch ein "junger Hüpfer" im Verband: "Ich bin der Einzige im Vorstand, der noch arbeitet, alle übrigen sind in Rente", meint er lachend. Dennoch sei die Altersstruktur natürlich eine Herausforderung. "Da geht es uns wie der Institution Oper auch", meint Schug. Man müsse "sehr intensiv um Mitglieder werben." Dabei ist das Saarbrücker Theater, wo man sich selbst von Wagners Kunst überzeugen kann, der wichtigste Verbündete.

Und was erwartet man sich da von dessen neuem Hausherrn? Die Ankündigung des künftigen Intendanten, Bodo Busse, Wagners "Ring", in Saarbrücken machen zu wollen, müsste doch ein einziges Jubilieren auslösen. "Den ‚Ring' brauchen wir hier nicht unbedingt", überrascht Schug. Geradezu inflationär hätten diverse Theater sich an Wagners Vierteiler versucht. Eine Wagner-Inszenierung pro Saison hingegen, das sei doch schon sehr gut, meint Schug. Wenn das keine genügsamen Fans sind.

Festkonzert am 22. Januar, 18 Uhr, im Saarländischen Staatstheater. Solisten: Ricarda Merbeth, Olafur Sigurdarson. Dirigent Constantin Trinks. Auf dem Programm: Auszüge aus "Das Liebesverbot", Der Fliegende Holländer", "Die Walküre", "Tristan und Isolde". Karten:

Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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