Ankommen in der austarierten Abstraktion

St Wendel · Noch bis Ende Januar erinnert das Museum St. Wendel querschnitthaft an das Werk von August Clüsserath (1899-1966). Deutlich wird, wie vieles er erprobte, um mittels Abstraktion zur größten Reife zu gelangen.

 Lächelnd in der oberen Bildecke: „Frau in der Loge“ von 1952.

Lächelnd in der oberen Bildecke: „Frau in der Loge“ von 1952.

Etwa dreitausend graphische Arbeiten und 280 Gemälde hinterließ August Clüsserath, als er 1966 starb. In der saarländischen Kunsthistorie der Nachkriegszeit nahm er eine maßgebliche Rolle ein - die zu seinen Lebzeiten allerdings nicht gewürdigt wurde. Man ignorierte Clüsserath und verbitterte ihn damit. 1899 in Völklingen geboren und ab 1926 an der Saarbrücker Kunst- und Kunstgewerbschule studierend, gehörte er 1950 neben Hans Dahlem zu den Mitbegründern der Saarbrücker "Neuen Sezession", um dann sieben Jahre später die vom Johannes-Itten-Schüler Boris Kleint angestoßene, am Bauhaus geschulte "neue gruppe saar" mit ins Leben zu rufen.

Erst lange nach seinem Tod erfuhr Clüsserath die Anerkennung, die er verdiente. Geradezu Züge einer "Wiedergutmachung" hatte 1990 die erste große Clüsserath-Werkschau in der Saarbrücker Stadtgalerie. Ihr folgten seither doppelt so viele Einzelausstellungen wie zu Lebzeiten des notorisch Verkannten. Die jüngste, die derzeit das Museum St. Wendel aufbietet, ist ob ihres großen Erfolgs (1800 Besucher kamen bisher, für St. Wendel ist das was) bis Ende Januar verlängert worden und die Fahrt ins Nordsaarland unbedingt wert.

Kuratiert von Cornelieke Lagerwaard und Beate Kolodziej, hält sie aus nahezu allen Werkphasen Clüsseraths Beispiele vor. Insbesondere die Ende der 50er Jahre entstandenen, weit in die Abstraktion hineinreichenden Tusche- und Lackarbeiten sind bezwingend. Sie wirken transparent und blockhaft zugleich und konservieren im Glanzverlauf der Tusche Clüsseraths Pinselführung bis heute. Man versteht, warum er selbst seine Bilder als "gemalte Plastiken" bezeichnete. In den späten 50ern scheint Clüsserath in seiner Bildraum-Erforschung immer mehr zu sich gefunden zu haben. Seine kompositorischen Setzungen jedenfalls wirken seither freier, intuitiver, vollendeter. Gut abzulesen ist dies in den eher Studien (oder Meditationen) gleichenden Spiralblock-Zeichnungen von 1958 bzw. 1964, die in einem kleinen Kabuff als Projektion zu sehen sind. Von den konventionellen, gegenständlichen Anfängen über sich vom Mimetischen ablösende Farbfeldstudien und eine am Kubismus geschulte Formensprache in den frühen 50ern gelangte Clüsserath nach und nach zu einem immer sichereren Umgang mit Linien und Flächen, wobei er nicht selten auf eine ausgeprägte, mitunter schrille Farbigkeit setzte.

Zeigt die verunglückte Assemblage "Komposition" von 1966 die Gefahren solcherlei starker Kolorierung, offenbart das fast zeitgleich entstandene Gemälde "Die Brücke" (1965) Clüsseraths malerische Reife, ja sein Ankommen in der wohlaustarierten Abstraktion.

 Eine Lackarbeit ohne Titel von 1958. Fotos: cis/Museum St.Wendel

Eine Lackarbeit ohne Titel von 1958. Fotos: cis/Museum St.Wendel

Bis 29. Januar. Di, Mi, Fr: 10-16.30 Uhr; Do: 10-18 Uhr; Sa: 14-16.30 Uhr; So: 14-18 Uhr.

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