Käthe Kollwitz trägt gerne Gorilla-Masken

Metz · Seit den 80er Jahren weist die US-Künstlerinnengruppe „Guerrilla Girls“ auf die Unterrepräsentanz von Frauen in der Kunstbranche hin. Der Metzer Frac Lorraine erinnert an ihr Tun.

 Plakate sind ihre Waffe: Die „Guerrilla Girls“ auf dem Weg zum Plakatieren. Foto: George Lange

Plakate sind ihre Waffe: Die „Guerrilla Girls“ auf dem Weg zum Plakatieren. Foto: George Lange

Foto: George Lange

"Müssen Frauen nackt sein, um ins Met. Museum zu kommen?" betitelten die "Guerrilla Girls" 1989 ihr wohl bis heute berühmtestes Plakat. Was die amerikanische Künstlerinnen-Gruppe damit anprangerte, war nicht gefühlt, sondern ein Fakt: Weniger als fünf Prozent der Werke in der Abteilung für Moderne Kunst des New Yorker Metropolitan Museums of Art seien von Frauen, aber 85 Prozent der ausgestellten Akte weiblich, schrieben sie, gestützt auf die hauseigene Statistik.

Die Unterrepräsentanz von Frauen in den Institutionen der Kunstbranche war Ende der 1980er beileibe kein neues Phänomen. Doch mit den "Guerrilla Girls" gab es erstmals eine Gruppe, die es schaffte, das Problem öffentlichkeitswirksam zu skandalisieren. Mit Plakaten, mit denen sie ganz New York überzogen und mit Auftritten, die man so noch nicht kannte. Die sieben Künstlerinnen, die sich 1985 zusammengetan hatten, traten öffentlich nur mit Gorilla-Gummimasken auf und gaben sich Namen wie Käthe Kollwitz, Frida Kahlo oder Gertrude Stein, um gegen den Ausschluss der Künstlerinnen aus der Kunstwelt zu Feld zu ziehen. Bis zu 60 Aktivistinnen zählten sie zeitweise, die bis heute ihre Anonymität wahren. Etwa 50 Plakate realisierten sie bis heute.

"An der Schnittstelle von Kunst und Aktivismus", nennt Kurator Xabier Arakistain ihre rund 90 Arbeiten, die der Lothringer Kunstfonds FRAC Lorraine in Metz derzeit zusammen mit Zeitdokumenten und einem Dokumentarfilm in einer großen Retrospektive würdigt. Denn für Arakistan haben die "Guerrilla Girls" nicht nur die feministische Kunst und die zweite Frauenbewegung der 60er bis 80er Jahre enorm beeinflusst, ihre Werke sind auch selbst Kunst. Die Schau befriedigt zwar kaum die Schaulust nach Bildern im traditionellen Sinne und ist auch nicht unanstrengend zu lesen - die Plakate sind alle auf Englisch. Doch auf den zweiten Blick beeindruckt sie durch die Vielfalt der Mittel, derer sich die "Guerrilla Girls" bedienten. Auf den Plakaten parodierten sie alle möglichen Medien (Filmplakate, Werbung, Zeitungen), um ihre Botschaften zu verpacken. Slogans wie "Horror: Tausende Frauen werden im Keller von Museen festgehalten!" (womit sie auf das Verschimmeln weiblicher Kunst in Depots hinwiesen) belegen: Sie verstanden sich auf Sarkasmus und Humor. Nahmen nicht nur die Bildende Kunst ins Visier, sondern etwa auch die Filmbranche, die Diskrimierung der Coloured People oder Fiktionen wie "Genie" und "Meisterwerk", die Kunst außerhalb des historischen und sozialen Kontextes stellen. Wie viel hat sich seitdem verbessert? Im Met.Museum waren 2011 weniger als fünf Prozent der Werke von Frauen, über 85 Prozent der Akte weiblich - viel also nicht.

Noch immer sind "Guerilla Girls" aktiv - und gefragt. Beim Jubiläum des Kölner Museums Ludwig im Sommer gaben sie etwa zu Protokoll: Die Sammlung sei zu weiß, zu europäisch, zu männlich. Als Vorwurf nimmt "man" das heute zumindest ernst. Der FRAC Lorraine an vorderster Stelle. Seit den 90ern kauft er bevorzugt Werke von Künstlerinnen an, bis Parität erreicht sein wird. Die 50 Plakate der Schau gehören denn auch alle zur eigenen Sammlung.

Bis 19. Februar. Di bis Fr: 14-19 Uhr; Sa und So: 11-19 Uhr.

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