Ein Haus für die Betuchten

Hamburg · Die Hamburger Elbphilharmonie (EB) umfasst mehr als das vielgerühmte neue Konzerthaus. Luxuswohnungen und ein 5-Sterne-Hotel, das den Steuerzahler alleine 210 Millionen Euro gekostet hat, gehören dazu. Für Unmut sorgt vor der Elbphilharmonie-Eröffnung am 11. Januar aber auch anderes: Exorbitante Kartenpreise und die hochnäsige Programmpolitik der EB-Macher.

Alle Künstler sind gleich? Nicht in der Elbphilharmonie (EP)! So wie in George Orwells berühmter Parabel mancher Vierbeiner auf der "Farm der Tiere" das Nachsehen hat, geht es in Hamburgs neuem Konzerthaus diversen Musikern: Schon bevor am 11. Januar das viel gepriesene Architekturwunder in der Hafen-City eröffnet wird, ist klar, dass hier keineswegs ein jeder aufspielen und eine jede singen darf. Und so herrscht trotz des prachtvoll glitzernden Kristalls hoch über der Elbe hinter den Kulissen längst Missstimmung - bereits vor dem ersten Ton.

Schon in der Vergangenheit hatte EP-Generalintendant Christoph Lieben-Seutter intern klar gemacht, dass von den alten Mietern der Laeiszhalle (dem bisherigen ersten Konzerthaus am Platz) in der EP künftig weder für die diversen norddeutschen Laienchöre noch für so manche Operetten- und Operngala Platz sein würde. Folge: Wer lange Jahre in der Laeiszhalle gut genug war für das Hamburger Publikum (und Lieben-Seutters dortige Mieteinnahmen), ist es nun im neuen Wahrzeichen der Stadt nicht mehr - und muss sich weiterhin mit dem neobarocken Bau am Johannes-Brahms-Platz begnügen. Und das keineswegs nur im ersten Halbjahr 2017, das der Intendant zur programmatischen Testphase erklärt und allein seinen eigenen Konzerten sowie denen der drei großen Hamburger Orchester und zweier ausgewählter Privatveranstalter vorbehalten hat: Nein, auch darüber hinaus gibt der Wiener den großen Impresario und behält sich Absagen vor.

Ein Modell, das sich offenbar am Konzept der Kölner Philharmonie orientiert, wo der Betreiber zugleich als Veranstalter das Programm dominiert - Lieben-Seutter und sein Team haben sich im Vorfeld dort ausführlich beraten lassen. Mit der Konsequenz, dass in Hamburg nun private Veranstalter nicht mehr einfach einen Termin buchen dürfen wie in der Laeiszhalle, sondern Künstler und Programm vorab benennen müssen - um dann je nachdem eine Absage zu erhalten, wenn den EP-Machern das Konzert nicht passt. Was von denen natürlich nach außen mit dramaturgischen Ansätzen verkauft wird.

Doch letztere sind kaum zu finden im Elbphilharmonie-Programm des ersten Halbjahres 2017. Stattdessen eine Ballung großer Namen vom Chicago Symphony Orchestra bis zu den Wiener Philharmonikern, von Paolo Conte bis Mitsuko Uchida sowie einige kleinere Festivals, die unter klangvollen Titeln wie "New York Stories" für jeden Geschmack etwas im Portfolio haben. Angesichts seines millionenschweren Programmetats kann sich Lieben-Seutter solches Promi-Schaulaufen leisten, zumal sich die Konzerte von selbst verkaufen: Bis Sommer sind bereits sämtliche EP-Termine im großen Saal ausverkauft, bei Ebay blüht der Handel zu einem Vielfachen des Originalpreises. Ein Zwölf-Euro-Ticket für ein einstündiges "Schnupper-Konzert" der NDR-Elbphilharmoniker etwa ward da für 199 Euro verkauft!

Das große Geschäft auf Kosten des Steuerzahlers, der im Schnitt jede Karte mit neun Euro subventioniert, machen wieder einmal andere. Wie schon so oft in der langen Bau-Geschichte des Konzerthauses, das 2001 seinen Ursprung in der Idee Alexander Gérards nahm, auf einem alten Kaispeicher in der Hafencity ein Konzerthaus samt Mantelbebauung mit Parkgarage, Hotel und Luxuswohnungen zu errichten. Drei Jahre und den berühmten Entwurf mit der gläsernen "Welle" der Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron später ließ sich der Projektentwickler seine Idee mit rund 3,5 Millionen Euro ausbezahlen. Eine erste Machbarkeitsstudie ging von 186 Millionen Euro Gesamtkosten aus, am Ende kostete das Jahrhundertbauwerk den Steuerzahler 789 Millionen - bei einer Gesamtbausumme von offiziell 866 Millionen Euro.

Der Ursprungsplan, Hotel, Wohnungen und Parkgarage privat zu erbauen und zu vermarkten und dann durch die Gewinne das eigentliche Konzerthaus samt der öffentlichen Plaza in 37 Meter Höhe querzufinanzieren, hatte sich schnell als Schnapsidee entpuppt: Nur für die 45, im Schnitt 190 Quadratmeter großen Luxusappartements fand sich ein Investor, der diese derzeit für kolportierte Quadratmeterpreise zwischen 15 000 und 36 000 Euro verkauft und sich über Millionenerlöse freuen kann. Für alles andere sprang damals die Stadt als Bauherr ein, nahm einen Kredit auf, um dann Parkhaus, Hotel und Gastronomie an ein Tochterunternehmen des Baukonzerns Hochtief zu verpachten. Dumm nur, dass erst nach Abschluss dieser Pachtverträge die Kosten in immer schwindelerregendere Höhen explodierten und ob ungeschickter Vereinbarungen vollständig am Steuerzahler hängenblieben.

Der damit nach Berechnungen der Linksfraktion im Hamburger Rathaus allein den Bau des Fünf-Sterne-Hotels mit 210 Millionen Euro bezahlt hat.

All diese finanziellen Sündenfälle werden am 11. Januar bei der feierlichen Eröffnung wohl kein Thema mehr sein. Stattdessen werden die Redner von dem neuen Kulturtanker im Hafen schwärmen und den fabelhaften Perspektiven dieser architektonischen Herzkammer für Hamburg. Nur Nörgler würden da fragen, ob angesichts vierstelliger Kartenpreise auf dem Schwarzmarkt die EB tatsächlich das viel beschworene Haus für alle wird - und ein jedes Kind der Hansestadt während seiner Schulzeit dort zumindest einmal ein Konzert besuchen kann, wie es Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz versprochen hat. Doch zur Not, das weiß inzwischen ja auch mancher Künstler, müssen die Kleinen eben mit der Laeiszhalle Vorlieb nehmen.

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