Chanson d'amour

Saarbrücken · Vor 20 Jahren hat die SR-Konzertreihe „Bistrot Musique“ begonnen und holt seitdem frankophone Künstler, mal etabliert, mal unbekannt, mal Chanson, mal Pop, nach Saarbrücken. Ein Blick zurück mit Susanne Wachs und Gerd Heger, zwei der vier „Bistro“-Gründer von damals.

Vielleicht war es ja bloß Zufall. Vielleicht aber ein kosmisches Zeichen des Chanson-Gottes: 1997 war es, da kamen Sänger Romain Didier, Moderatorin Susanne Wachs und Tonmeister Winfried Götzinger spätnachts aus einem SR-Studio; gerade hatten sie sich die Abmischung des auf dem Halberg aufgenommenen (und später preisgekrönten) Didier-Albums angehört. "Und dann stand da dieser Komet am Himmel", erinnert sich Wachs. Hale-Bopp heißt das himmlische Phänomen, "Bistrot Musique" das irdische, das nun 20. Geburtstag feiert. Die stolzen Eltern der Konzertreihe: Marc Bouzon, Bernhard Stigulinszky, Susanne Wachs und Gerd Heger, der "Monsieur Chanson" des SR.

"Nach dem Abschied von Pierre Séguy, dem großen Chanson-Papst", erzählt Heger, "hat sich hier nicht mehr viel abgespielt. Für französische Musik musste man nach Metz oder Saargemünd." Um das zu ändern, trug das Quartett dem Saarländischen Rundfunk eine Idee an: Zwei aktuelle frankophone Gruppen werden eingeladen, ihr Auftritt wird mitgeschnitten, statt Gage bekommen die Musiker eine professionelle Live-CD. Der Sender war angetan, und so öffnete 1996 "Bistrot Musique" bei SR 3 (heute bei SR 2) seine Pforten; meist im Studio 2, manchmal auch im größeren Sendesaal, sechs Mal im Jahr. Die Nicht-Gage wurde abgefedert durchs sonntägliche "Fest für Freunde", das die Künstler einstimmte auf das Konzert am Montag. "Manchmal ausgeartet" seien diese völkerverbindenden Treffen ausländischer Künstler und heimischer Musiker, erinnert sich Wachs. "Einmal waren die Künstler tags drauf beim Konzert hörbar heiser." Auch eine Matratze soll nächtens aus einem Hotelfenster geflogen sein.

Diese saarländische Gastfreundschaft plus Live-CD sprach sich schnell herum, es gab keine Probleme, das Programm zu füllen, das zwei große Ziele hatte: nicht nur Chanson zu bieten und unkommerziell zu bleiben. Enzo Enzo und Zaz waren hier, Mouron & Terry Truck, Evasion, La Tordue und viele andere. Ein Höhepunkt ist für Wachs und Heger das Konzert von Francis Lemarque 1997. Wachs war zu ihm nach Paris gefahren, um ihn zu überzeugen, in Deutschland aufzutreten - Lemarques Mutter war in Auschwitz ermordet worden. Wachs überzeugte ihn trotz dessen Widerwillen, in Saarbrücken nahm Lemarque dann sein letztes Album auf. Auch der kanadische Star Isabelle Boulay kam auf den Halberg, was die französischen Reinemachefrauen ihre Contenance verlieren ließ. Nach der Bestätigung "Ja, sie ist es wirklich" durch Wachs hätten sie beim Soundcheck das Studio besonders gründlich geputzt, um lange zuhören zu können.

Ein seltener Misstöner war der Electro-Sänger Untel: "ein Griff ins Klo" (Heger), "und er spielte einfach immer weiter" (Wachs). Da habe zum einzigen Male ein Zuhörer die Flucht ergriffen. Dem zum Trotz sei die Marke "Bistrot Musique" heute ein Gütesiegel, sagt das Duo, das Publikum komme vertrauensvoll auch zu unbekannten Künstlern. Den zweimonatigen Turnus gibt es mittlerweile nicht mehr, jährlich findet nun ein Konzert bei den Perspectives statt, eines beim SR, dazu Auftritte beim Saarbrücker Stadtfest, bei "Chansons in der Schule" und beim Chansonpreis in Sulzbach.

Das Saarland hat sich in den vergangenen 20 Jahren von der relativen Diaspora zu einem "Chansonland" entwickelt, schätzen Wachs und Heger - dennoch ist die Lage für Künstler allgemein nicht einfacher geworden. "Mit CDs ist kaum noch Geld zu verdienen", sagt Wachs, zudem treffe ein Generationenumbruch in den Kulturämtern des Landes vor allem ältere Künstler, "die die jüngeren Leute in den Ämtern gar nicht nicht mehr kennen".

Heger gibt gerne zu, dass ein Forum wie "Bistrot Musique" außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rahmens "gar nicht zu realisieren wäre". Sparmaßnahmen, vor denen auch ein gebührengenährter Sender nicht gefeit ist, oder Programm-Umwälzungen fürchten die beiden aber nicht. Vielmehr spüren sie, wie Wachs sagt, "Vertrauen und Wohlwollen", man genieße eine programmatische Freiheit, Künstler vom "Klampfenheinz bis zum HipHopper" einladen zu können. Dazu habe der Sender ja auch eine Vorreiterstellung, was den deutsch-französischen Kulturaustausch angehe. Zum Geburtstag lobt der SR sein "Bistrot" denn auch ausdrücklich, nennt es "wichtiges Markenzeichen" und dankt für "viele Glücksmomente". So könnte (und wird es wohl) weitergehen; allerdings sucht das Duo, auch wenn der Ruhestand nicht in ganz greifbarer Nähe liegt, potenzielle Nachfolger. Nach wie vor gesucht sind auch Sponsoren, damit mindestens zwei Wünsche des Duos in Erfüllung gehen können: einmal ein Akustik-Konzert mit Patricia Kaas, die wohl bloß mit Spesen nicht nach Saarbrücken zu locken ist; und dass wieder, wie einst, jeder Konzertgänger mit einem Pastis versorgt wird.

Jubiläumskonzert: Morgen, 20 Uhr, im Studio Eins auf dem Halberg mit Triwap und Geneviève Morissette. Karten unter Tel. (06 81) 93 69 90 und

an der Abendkasse.

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