Chanson-Vorspeise und Silbensalat

St Ingbert · Die „St. Ingberter Pfanne“ ist einer der wichtigsten Kleinkunstpreise im deutschsprachigen Raum. Bis Freitag, wenn die Abschlussparty steigt, gibt es Kabarett und Comedy mit und ohne Musik auf höchstem Niveau.

 Erwies sich als Publikumsliebling: Die A-Capella-Gruppe „Delta Q.“. Foto: Kerstin Krämer

Erwies sich als Publikumsliebling: Die A-Capella-Gruppe „Delta Q.“. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

"Die Pfanne steht bereits auf der Herdplatte!" frohlockte St. Ingberts Oberbürgermeister Hans Wagner in der spannungsgeladenen Stadthalle. Was da am ersten Wettbewerbstag der 32. Woche der Kleinkunst in der Pfanne brutzelte, machte Appetit auf drei weitere Abende voller Kabarett, Comedy, Chanson, Poetry Slam und - ein Novum der diesjährigen Ausgabe - Schattentheater. Als Trophäen winken neben den beiden Preisen der Fachjury ein Publikumspreis und der Preis des Kultusministers, der von einer Jugendjury vergeben wird.

Nachdem am Freitag zur Eröffnung der deutsch-holländische Sänger und Entertainer Sven Ratzke - Gewinner der St. Ingberter Pfanne 2009 - mit seiner rockigen Hommage an David Bowie mehr als nur ein feuriges Amuse-Gueule aufgebraten hatte, mundete am Samstag ein Drei-Gänge-Menü, das ganz unterschiedliche Geschmacksnerven kitzelte. Die elegante Vorspeise tischte im knall-orangenen Retro-Anzug Chansonkabarettist Johannes Kirchberg auf und präsentierte sich "Wie früher. Nur besser". Der Mann am Klavier ist Routinier. Griffsicher mixt er diverse Zutaten und schmeckt mit stetig steigendem Tempo musikalisch ab, um das Ganze dann ebenso galant wie verschmitzt zu servieren: unpolitisch korrektes Kabarett, bei dem der gebürtige Leipziger einen weiten Assoziationsbogen spannt, von Familie zu Gesellschaft oder von zwangsemanzipierten Männern zu morbiden Medleys aus Werbeslogans - gipfelnd in der Erkenntnis, dass sich mit Musik alles sagen lässt, sogar das Unsagbare. Als Beilage gab's einen - nicht ganz von Ohrwürmern bereinigten - Silbensalat. Den Hauptgang kredenzte die junge Sandra Da Vina aus Essen, Autorin, Poetry Slammerin, Germanistikstudentin und bekennende Emotionale. Wie Kirchberg pflegt sie die Wortjonglage, köchelt aber mit anderen Ingredienzen. Mit mädchenhaft frischem Charme wechselt sie als Ich-Erzählerin zwischen lockerem Plauderton und durchrhythmisierten Texten; mal trägt sie auswendig vor, mal liest sie ab und kurbelt ein immer schneller drehendes Gedankenkarussell aus Leuchtbuchstaben an. Hemmungslos frönt sie skurrilen Übertreibungen, die bisweilen - nicht zuletzt dank tierischer Protagonisten - ins Surreale kippen, und erörtert Probleme, die uns allen vertraut sind: Peinlichkeiten des Alltags, Informationsüberfluss, instabile Beziehungskisten oder der Horror grell ausgeleuchteter Umkleidekabinen - frau kennt es.

Und danach: welch ein Dessert! "Wann, wenn nicht wir?" fragen Sebastian Hengst, Till Buddecke, Martin Lorenz und Thomas Weigel alias "Delta Q." So heißt die energiegeladene A-Cappella-Gruppe, die den Saal zum Kochen brachte und sich damit als heißer Favorit für den Publikumspreis empfahl. Bezeichnenderweise haben sich die vier Berliner nach einem Begriff aus der Thermo-Dynamik benannt: Rasant heizten sie den Herd mit ihrer perfekt choreografierten Show auf Betriebstemperatur und servierten Süßes und Pikantes, vom zarten Balladen-Crêpe bis zum deftigen Groove-Omelette. Instinktsicher beherrscht das Quartett alle Stilistiken der E- und U-Musik, begeistert mit launiger Gruppenmoderation wie mit enormer Bühnenpräsenz und spielt gekonnt mit der Dynamik - Vokalkunst auf höchstem Niveau.

Angesichts des frenetischen Beifallssturms konnte Moderator Philipp Scharri, der 2010 Gewinner einer Pfanne war, gar nicht anders, als Zugaben zu gewähren. Auch in diesem Jahr rollt der Poetry Slammer wieder für jeden Wettbewerber einen passgenau gewebten roten Teppich in Reimform aus. Dass sich bei so viel Wortakrobatik der erste Wettbewerbstag Richtung Mitternacht dehnte - wer wollte das übel nehmen?

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