Das Ende des Königs von Saarabien

Neunkirchen · Sieben Jahre nach der Uraufführung des Neunkircher Musicals „Stumm“ über den saarländischen Stahlbaron Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg hatte dort am Freitag die Neuinszenierung Premiere. Regisseur Matthias Stockinger gelang dank eines glänzenden Ensembles ein kurzweiliger Abend.

"Peng!" Das Wort, in verschnörkelte Linien gerahmt, wischt jeden Zweifel weg: Der Mann hat geschossen, sich selbst in den Kopf. Zu hören ist der Schuss, mit dem sich Carl Friedrich Stumm (Vater von Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg, um dessen Leben das Musical im Wesentlichen kreist) vom Leben befreit, nicht. Die Bilder, die über die Leinwand auf der Bühne der Gebläsehalle in Neunkirchen flimmern, gehören zu einem Stummfilm. Das "Peng!" auf der Leinwand gleich zu Beginn des durch das Filmchen eingeleitete Stumm-Musicals signalisiert: Es wird hier um ernste Dinge gehen, aber es darf gelacht werden.

Im Programmheft zur Neuinszenierung des 2009 und 2010 vom Neunkircher Musical-Projekt bereits aufgeführten Stücks von Martin Leutgeb (Text), Andreas Puhl und Amby Schillo (Musik) zitiert Matthias Stockinger, der nun Regie führt, den deutschen Schriftsteller Carl Zuckmayer. Für den Mann, der mit dem "Hauptmann von Köpenick" gezeigt hat, wie nah Lachen und Weinen beieinander liegen können, war das Theater "weder eine Schulstube noch ein Priesterseminar". "Die Leut' sollen entweder lachen oder flennen", fand Zuckmayer. Und fügte hinzu: "Oder beides."

Matthias Stockinger, ein "Neinkerjer Bub", der in der Musical- und Theaterwelt da draußen erfolgreich ist und für "Stumm" wieder mal nach Hause kam, hat sich für "Oder beides" entscheiden - zusammen mit dem "Kreativ-Team des Musical-Projekts, zu dem neben den Musikern Andreas Puhl und Amby Schillo auch die künstlerische Leiterin und Choreografin Ellen Kärcher, Chorleiter Bernd Michael Sommer und Produktionsleiter Markus Müller gehören.

Sie und vor allem die etwa 100 Laien auf und hinter der Bühne nehmen ihr Publikum mit auf eine Reise durch das Leben eines Mannes, der nicht nur saarländische Geschichte geschrieben hat: Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836 bis 1901), gebürtiger Saarbrücker, saarländischer Industrieller und Stahlbaron, Gründer der freikonservativen Deutschen Reichspartei und Abgeordneter im deutschen Reichstag. Ein Mann, der in knapp drei Stunden auf der Bühne vom Vater Stumm, über den die Arbeiter erfürchtig sprechen, und König von Saarabien zum Tyrannen und zur tragischen Gestalt wird. Es ist eine beeindruckende Leistung von Nils Hollendieck, diesem Stumm in all diesen Phasen stets Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Und weil Liebe - wie die ebenfalls stimmgewaltige Premieren-Besetzung der Gattin des Patriarchen, Heike Sutor, im Stück beklagt - im Leben des großen Stumm keine, für ein Musical aber eine große Rolle spielt, verlagert der Regisseur die Handlung auf andere Figuren. Auf den Hüttenarbeitersohn Jacques (Mattis Hollendieck), der mit viel Liebe den Standesunterschied zur Stummtochter Berta (Ida Morsch) überwinden will. Auf den Tagelöhner Daniel Dengler (Julian Rolinger), der seine Christin (Bianca Basler) nicht heiraten darf, weil es an Geld fehlt. Auf die Frau mit dem Kuchen (Tamara Schmitt), die der Willkür der verbrechischen Hüttenmeister (Rainer Setz und Frank Müller) ausgeliefert ist - weil nur diese ihrem Mann die Stelle verschaffen können, die das Geld zum Überleben sichert. Und auf den Buchhalter Meuser (herrlich komisch: Nicolas Schneider), den seine Liebe zu Frau Stumm zum Opfer einer Intrige macht.

Bevor diese Tragödien und der verzweifelte Kampf der Arbeiter gegen den schleichenden Tod das Premierenpublikum in den emotionalen Abgrund reißen, holen die jungen Ensemblemitglieder dieses mit perfekt einstudierten Tanz- und Musikeinlagen zurück ins pralle Leben. Stumm selbst steht am Ende dennoch verzweifelt, wie sein Vater im Stummfilm zu Beginn, mit einer Waffe an der Schläfe am Rand des Lebens. Das "Peng!" bleibt aus. Das "Oder beides" ist geglückt.

 Der historische Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836- 1901) und sein Darsteller Nils Hollendieck. Fotos: Schenk (li)/Rich Serra

Der historische Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836- 1901) und sein Darsteller Nils Hollendieck. Fotos: Schenk (li)/Rich Serra

Weitere Aufführungen: 30. und 31. August, 2., 3. und 4. September. Karten unter Tel. (06 51) 9 79 07 77.

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