Flirt und Pathos

Saarbrücken · Nach einer versandeten Pop-Karriere gelang Sarah Connor mit ihrem ersten deutschsprachigen Album „Muttersprache“ im vergangenen Jahr ein gefeiertes Comeback. Im Rahmen ihrer Tournee trat sie am Donnerstag open air auf dem Saarbrücker Messegelände auf.

 Sarah Connor mit Background-Sängerinnen und dem Publikum zu ihren Füßen auf dem Saarbrücker Messegelände. Foto: Iris Maurer

Sarah Connor mit Background-Sängerinnen und dem Publikum zu ihren Füßen auf dem Saarbrücker Messegelände. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Wer am Donnerstagmittag den Deutsch-französischen Garten besuchte, der hätte Sarah Connor samt Familie dort antreffen können. Beim Gondelfahren oder im Bähnchen-Waggon. Zur Begrüßung erzählt sie das und lässt das abgedroschene "Hallo Saarbrücken" für die rund 3200 Zuschauer auf dem großen Platz des Saarbrücker Messegeländes einfach aus. Stattdessen erzählt sie eine kurze persönliche Anekdote der Verbundenheit mit der Stadt. Hier sei sie vor vielen Jahren öfter mit ihrer damaligen Band aufgetreten, und überhaupt sei es ja doch sehr schön "auf dem Land".

Die Landleute jedenfalls sind gleich begeistert, gut zwei Drittel von ihnen sind Frauen, alle sehr textsicher. Sarah Connor ist es übrigens auch. Sie versinge sich bei ihren eigenen deutschen Texten nie, lacht die 36-Jährige in Anspielung an ihren vermasselten Nationalhymnen-Auftritt 2005, der heute Legende ist, weil sie sich damals nicht mehr so recht an eine Zeile erinnern konnte.

Alles vergessen - heute steht eine gereifte Künstlerin, mehr Singer-Songwriterin als Pop-Star auf der Bühne, die mit ihrer grandiosen Soul-Stimme weitgehend selbst komponierte und solide getextete Lieder singt. Nicht allen schmeckt Connors neues Pathos. Viele trauen ihr diese neue Nachdenklichkeit gar nicht zu. Doch mit "Wie schön du bist" stürmte sie die deutschen Charts und überraschte alle, die ihr so viel sprachlich-musikalischen Tiefgang nicht zugetraut hätten. Fünf Jahre hatte sie am Album gearbeitet, unterstützt von Produzent, Komponist und Rosenstolz-Sänger Peter Plate, Ulf Leo Sommer und Daniel Faust.

In Saarbrücken singt Connor alle Titel ihres "Muttersprache"-Albums. Sexy, selbstbewusst und wieder schwanger - das vierte Kind soll Anfang Januar zur Welt kommen -, flirtet sie mit ihrem Publikum. Ihre Stimme versagt nie, stimmsicher zieht sie alle Register. Es ist ein eher ruhiges Konzert, die alten Hits aus der Pop-Retorte - so austauschbar und nichtssagend, dass man nie so genau wusste, singt das jetzt Sarah Connor, Mariah Carey oder Kylie Minogue - lässt sie dankenswerterweise gleich ganz weg. Wer braucht schon Titel wie "Let's get back to bed, boy"? Auf ihre - wie sie sagt - "dunkle Vergangenheit" nimmt Connor dennoch immer wieder mit Witz und Selbstironie Bezug. Ihre deutschen Songs sind ja nichts weniger als eine zuweilen sehr persönliche Aufarbeitung jener Zeit, als Sarah mit dem damaligen Gatten Mark Terenzi beim Sender ProSieben noch "schwer verliebt" und ziemlich unerträglich in einer Doku-Soap herumturtelte.

Doch das blonde Pop-Sternchen aus Delmenhorst ist - immer noch blond, jetzt aber mit Stil - erwachsen geworden. Einen Hit aus dem Jahr 2001, spielt sie dann doch in wohltuend reduziertem, jazzigem Arrangement: "From Sarah with love". Die Ballade sei mit ihr "erwachsen geworden" und ja, sie passt wunderbar ins Programm. Das Saarbrücker Publikum begeistert die zweifache Echo-Gewinnerin auch mit einigen großartigen rockig-souligen Cover-Songs (,,Baby Love" von Mother's Finest). Erstklassige Musiker (mit Fan-Club im Publikum) agieren da, unterstützt von drei stimmgewaltigen Background-Sängerinnen. Das Konzert endet mit einem Appell an Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft: "Augen auf", Sarah Connors Hymne zur Flüchtlingskrise, begleitet mit Videobildern von überfüllten Booten, Kriegsverwüstungen und Willkommens-Szenen. Das kann man kitschig finden - oder zeitgemäß und berührend. Geschmackssache. Das Publikum jedenfalls feiert Connor, die sich nach zwei Stunden verabschiedet. Ein überzeugender, erwachsener Auftritt.

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