Forderung nach Popklassikfestival

Saarbrücken · Das neue Klassikfestival 2018 ist die große kulturpolitische Unbekannte, doch es gibt schon Initiativbewerbungen. Doch wäre es nicht sinnvoll, Pop und Klassik zu verschmelzen? Die Saar-Musikszene hat Ideen.

 Glanzvolle Gastspiele wie hier etwa der Auftritt der Berliner Philharmoniker und ihres Dirigenten Riccardo Chailly bei den Musikfestspielen Saar 2013 will das neue Festival wohl nicht bieten. Foto: Oliver Dietze

Glanzvolle Gastspiele wie hier etwa der Auftritt der Berliner Philharmoniker und ihres Dirigenten Riccardo Chailly bei den Musikfestspielen Saar 2013 will das neue Festival wohl nicht bieten. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Still ruht die Saar. Festivalpolitisch. Nur einer kickt Kieselsteinchen über die politisch glatt gezogene Oberfläche: Joachim Arnold, Geschäftsführer von Musik & Theater Saar. Eigentlich müssten die Wellen tosen, schließlich sollen bis 2018 gleich zwei neue Musikfestivalformate an den Start. 2017 ein Popfestival, konzeptionell noch kaum umrissen, 2018 gefolgt von einer "jungen" Klassik-Biennale, die sich im Wechsel neben die Traditions-Musikfestspiele Saar schiebt, denen 2015 das staatliche Wohlwollen samt Finanz-Förderung entzogen wurde. Diese unübersichtliche Lage schreckt den Merziger Opernzelt-Chef Arnold nicht. Auf SZ-Nachfrage sagt er: "Wenn ich gefragt würde, ob ich die Konzeption für das neue Klassikfestival machen und mich als künstlerischer Leiter bewerben möchte, würde ich mich nicht wehren." Arnold erklärt, er habe bereits "ein Konzept in der Schublade", über das er nur so viel verrät: "Ich würde den Fokus ausschließlich auf das Saarland legen, nicht auf die Großregion. Man könnte die Saarländer zum Nachdenken bringen über ihre historischen Wurzeln." Der Kulturunternehmer hält sowohl den Zeitrahmen - Start 2018 - wie auch die Etatgröße (rund eine Million Euro) für unproblematisch. "Mit diesen Vorgaben lässt sich arbeiten."

Aber sie genügen nicht, soll ein seriöser "Wettbewerb der Ideen" einsetzen, von dem im März die Rede war. Damals verkündete die Ministerpräsidentin höchst selbst, dass die Klassik trotz Trennung von den Musikfestspielen ihr Forum behalten werde. Dank Geldern aus ihrem Kulturrettungs-Fonds (1,4 Millionen Euro bis 2020) sollen alle zwei Jahre etwa 350 000 Euro in ein neues Klassikfestival fließen.

Seit dieser Proklamation von Annegret Kramp-Karrenbauer ist das Kultusministerium für die Neuerfindung zuständig. Minister Ulrich Commercon (SPD), Fan einer urbanen, jungen Kultur, ließ seitdem nur so viel hören: Das neue Festival müsse jüngere Zuschauer zur Klassik führen und nicht das Star-Gastspiel-Modell (der Musikfestspiele) fahren. Vier Monate Zeit waren, um dies zu präzisieren. Doch auch heute noch erklärt das Kultusministerium, Profil und Finanzrahmen seien "im Fluss", würden "erarbeitet und abgestimmt". Von wem und wie - keine Angaben. "Danach wird sich dann auch die Frage der Festivalleitung stellen", heißt es. Offensichtlich will man mit einem in der Kulturabteilung des Ministeriums entwickelten Konzept auf den Bewerbermarkt gehen. Laut Ministerium hat es bereits Initiativbewerbungen gegeben. Mutig, handelt es sich doch um einen Blindflug-Job, mangels aktiver Informationspolitik. SZ-Recherchen ergaben, dass in der hiesigen Musikszene trotzdem viel Unterstützergeist herrscht. Der Landesmusikrat signalisiert Interesse an einer "konstruktiven Mitarbeit", nachdem er "bei den Musikfestspielen nie eingebunden" gewesen sei. Offensiver äußert sich der Rektor der Musikhochschule Saar (HfM), Wolfgang Mayer. Er regt an, die Kompetenz der Szene im Land für die Konzeptfindung zu nutzen: "Es sollte ein Projektteam geben aus Staatstheater, Musikhochschule und Radiophilharmonie/Saarländischem Rundfunk." Man müsse vermeiden, dass jeder immer nur seine eigenen Programmpunkte beizusteuern versuche, ohne das große Ganze zu sehen. Die Fokussierung auf Einzelpersonen sei "nicht hilfreich." Vor allem aber hält Mayer die Trennung in ein Pop- und Klassikfestival für "unglücklich" und für nicht mehr zeitgemäß. Man sollte beide Festivals langfristig zusammenführen.

Just die selbe These vertritt Oliver Strauch von der freien Performance-Gruppe "Die Redner". Längst funktioniere der Musikstil-Kosmos grenzenlos, eine Kombi aus "Hamburger und Foie Gras". Das neue Festival muss seiner Meinung nach unbedingt jährlich laufen, um es in der Wahrnehmung fest zu implantieren. Allein schon deshalb meint er: "Wir sollten nicht mit der Gießkanne drei Musikfestivals fördern, sondern die allergrößte Schlagkraft für ein einziges großes Sommermusikfestival entwickeln." Von "selbst gebastelten" Konzepten made im Saarland hält Strauch nichts. Die "international erfolgreichsten Macher" müssten Expertisen abgeben. Bis 2018 sei das nicht machbar, die Marke Festival benötige eine Phase von drei Jahren. Und: "Ohne Gastauftritte von Stars wird es nicht gehen." Aber sind wir dann nicht wieder beim Standard-Festival-Gemischtwarenladen? Strauch warnt vor zu viel Ehrgeiz: "Wir werden im Saarland die Festivalwelt nicht revolutionieren".

Meinung:

Drei sind zwei zu viel

Von Cathrin Elss-Seringhaus

Sie war brutal, aber notwendig, die Trennung der Politik von den Musikfestspielen Saar. Nur so ließ sich Erneuerung für das Klassikformat organisieren. Doch die Erfindung eines Konkurrenz-Klassikfestivals, nach dem naiven Motto "Wer im Saarland Pop sagt, muss auch Klassik sagen", das war ein Schnellschuss. Denn jetzt fährt der Zug in Richtung Musikfestival-Überschuss: Musikfestspiele, Klassik-Biennale, Pop. Doch drei sind zwei zu viel, vor allem, weil die U- und E-Kultur-Etiketten, die aufgeklebt wurden, ein haarsträubend veraltetes Lagerdenken spiegeln. Mutig wäre, diesen Prozess zu stoppen, dem Popfestival einen anderen Namen zu geben und an einer Erweiterung für 2020 zu arbeiten.

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