Böhmermann kehrt zurück: Zwischen Erdogan und Ai Weiwei

Köln (dpa) · Über wenige Leute wurde zuletzt so viel geredet, geschrieben und diskutiert wie über Jan Böhmermann. So viel, dass der Moderator zeitweise komplett auf Tauchstation ging. Nun kommt er zurück auf den Bildschirm. Die Frage ist nur: Wie?

Jan Böhmermanns alter Chef hat auch mal eine Fernsehpause eingelegt. Als Harald Schmidt 2004 nach einem Jahr Auszeit auf den Bildschirm zurückkehrte, war er allerdings ein anderer.

Nicht nur, dass Schmidt in der ersten Sendung ergrautes, schulterlanges Haar und Vollbart trug. Auch so merkte man ihm irgendwie an, wie viel schon zuvor über dieses Comeback und über ihn geredet worden war. Die Show wirkte mitunter etwas bemüht.

Sein einstiger Sidekick Jan Böhmermann ist nun in einer ähnlichen Situation. Böhmermann will mit seinem „Neo Magazin Royale“ am Donnerstag (ZDFneo, 22.15 Uhr) zurückkehren, rund einen Monat, nachdem er seine Pause verkündet und erst mal komplett abgetaucht war. Anders als bei Schmidt geht es bei ihm aber nicht nur um Show und Unterhaltung, sondern im Subtext auch um Politik, das deutsche Justizsystem und die Kanzlerin. Ähnlich wie bei Schmidt ist die Sendung daher mit Erwartungen überfrachtet. Die Frage: Legt Böhmermann nach? Oder kurz: Fällt der Name Erdogan?

Die Vorgeschichte im Schnelldurchlauf: Ende März liest Böhmermann im „Neo Magazin Royale“ ein derbes Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor. Er will damit den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik deutlich machen, wie er sagt. Das ZDF streicht den Beitrag aus der Wiederholung der Sendung und aus der Mediathek. Aber dabei bleibt es nicht: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertet das Gedicht als „bewusst verletzend“, Erdogan geht rechtlich dagegen vor. Die Bundesregierung gibt dem Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung gegen Böhmermann wegen möglicher Beleidigung eines Staatsoberhauptes statt.

Böhmermann war schon zuvor dafür bekannt, mit gezielten Provokationen Wirkung zu erzielen. Seine besten Nummern spielte er dabei in der Regel über Bande - Stichwort „Varoufake“. Verwirrte oder wütende Reaktionen von außen gehören bei ihm oft zum Witz dazu.

Die Welle nach dem Erdogan-Gedicht dürfte aber selbst ihn überrascht haben. Deutschland diskutierte plötzlich ein sperriges Thema wie Kunstfreiheit und die Grenzen der Satire. Manch einer kramte schnell nach juristischer Fachliteratur, um diesen ominösen „Majestätsbeleidigung-Paragrafen“ zu finden. Und selbst der „Dönermann von Böhmermann“ („Bild“) brachte es zu etwas medialer Prominenz („Er kommt sonst mindestens einmal in der Woche, bestellt meistens den Lammspieß“).

Böhmermann allerdings verschwand von der Bildfläche. Seine Sendungen sagte er ab, bei Twitter und Facebook verstummte er. Man gewann den Eindruck, dass ihm die Dinge entglitten waren. Zeitweise stellte ihn die Kölner Polizei sogar unter Polizeischutz. Böhmermann war zuvor nie der Typ Show-Star gewesen, dem die Herzen zuflogen, manche hielten ihn eher für einen kalten Schnösel. Nun hieß es auf Twitter flehend „Halte durch Böhmi!“. Es wurde ein bisschen menschlich.

Mittlerweile redet er wieder, nicht nur auf Twitter und Facebook. Merkel habe ihn „filetiert“ und „einen deutschen Ai Weiwei“ aus ihm gemacht, sagte er der „Zeit“. Vor allem der Vergleich mit dem chinesischen Künstler, der zeitweise in Haft saß, kam nicht überall gut an. Vielleicht wäre es auch eine Schublade tiefer gegangen. Böhmermanns Antwort: „Jetzt hält sich Böhmermann ernsthaft für Ai Weiwei. Also entweder ist der völlig verblödet oder ich!“.

Man könnte daher annehmen, dass er wieder im Böhmermann-Modus ist. Wird er in der Sendung das Gedicht ansprechen? „Das lässt sich schwer prognostizieren“, sagt Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher. Viele Zuschauer würden natürlich genau darauf hoffen. Bekannt ist, dass der Linke-Politiker Gregor Gysi Gast sein wird. Und dass Böhmermann angeblich nur Gags von Zuschauern bringen will. Sein Team kündigte bereits die Themen an, um die es wohl gehen werde. Darunter „Erdogans Schwiegersohn als Premier der Türkei im Gespräch“. Allerdings mit dem Zusatz „Auf Sodomie-Gags könnt ihr verzichten“.

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