Immer noch grundsätzlich anarchistisch

Saarbrücken · Für den Titelsong der aktuellen CD-Tournee „Ohne Warum“ musste man bis zum Zu gabenblock ausharren: Mit einem Konzert von über drei Stunden begeisterte der frenetisch gefeierte Liedermacher Konstantin Wecker als Gut- und Kraftmensch.

 Immer noch beeindruckend: Konstantin Wecker. Foto: T. Karsten/ver

Immer noch beeindruckend: Konstantin Wecker. Foto: T. Karsten/ver

Foto: T. Karsten/ver

Kaum steht er an der Rampe, kann eine Frau in der zweiten Reihe nicht mehr an sich halten: "Der ist einfach klasse, der Typ!" flüstert sie hingerissen. Dabei hat Konstantin Wecker, Bart und leger über die Hose hängendes rotes Hemd, gerade mal ein Lied gespielt und ist noch mitten drin in der leutseligen Begrüßungszeremonie. Aber wie er das macht: So warmherzig vereinnahmend, als ob jeder einzelne im Publikum ein treuer alter Freund wäre, der selbstverständlich zu den Guten gehört - zu jenen, die aufstehen, nicht wegschauen, sich einsetzen.

Damit ist am Samstag in der ausverkauften Congresshalle die Friedensmarschrichtung klar: "Es hat sich nichts an meiner grundsätzlich anarchistischen Einstellung geändert", verkündet der Liedermacher und ruft die "Revolution der Liebe" aus. Der Patriotismus-kritische Klassiker "Vaterland" gehört da ebenso zum einschlägigen Liederkanon wie "Sage nein!" oder "Empört Euch". Wecker wirft mit Appellen geradezu um sich: "Trag nie eine Uniform!", bittet er den Nachwuchs; "Denkt mit dem Herzen!" unterstützt er die Willkommenskultur und wettert gegen die "Hornochsen von der AfD", weil "Verstand ohne Mitgefühl schlichtweg in den Irrsinn führt". Der Titelsong "Ohne Warum": eine Ode an den Zauber des Unnützen. Politiker, Banken, VW, Monsanto, Google, all die Bestimmer, Ausbeuter und Gedankenpolizisten: "Man muss das Pack enteignen zu seiner Zeit!", fordert Wecker. Dabei lässt der mittlerweile 68-jährige Münchner Barde es in seiner Moderation derart menscheln, dass er bisweilen ähnlich wohlfühlig klingt wie sein Landsmann Gustl Bayrhammer, Stimme gewordenes Sinnbild bayrischer Gemütlichkeit. Und als Wecker bei "Die Gedanken sind frei" die mitsingenden Massen dirigiert, strahlt er, dass er "diesen Gotthilf Fischer immer besser verstehen" könne.

Musikalisch ist der Abend vom Feinsten. Mit einer famosen Multi-Instrumentalisten-Truppe und der vielversprechenden jungen Sängerin und Gitarristin Cynthia Nickschas (Nachwuchsförderung ist ihm auch eine liebe Pflicht) spannt der ungebrochen stimmgewaltige Wecker den Bogen von poetischen Liebesliedern über ausgelassene Weltmusik bis zu eindringlichen Gedicht-Vertonungen von Bertolt Brecht oder Georg Heym. Stimmt: Einfach klasse, der Typ.

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