Wie wirbt man heute für Klassik?
Mag klassische Klaviermusik auch eine Kunst für eine kleine Spezies sein, Lang Lang ist auch vielen ein Begriff, die nie einen Konzertsaal von innen gesehen haben. Auf seinem Weg vom chinesischen Wunderkind zum Superstar der Klassik hat der mittlerweile 33-Jährige stets gezielt auf Massenkultur und Massenmedien gesetzt. Er hat weder Auftritte mit Elton John und Robbie Williams gescheut noch den kurzen Griff in die Tasten bei „Wetten, dass?“ oder zur Eröffnung der Olympischen Spiele. Vor seinem Luxemburger Konzert am 13. Februar mit dem National Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach hat SZ-Mitarbeiter Christoph Forsthoff Lang Lang getroffen.
Sie spielen 120 Konzerte pro Jahr, früher standen auch schon mal 150 Konzerte pro Jahr in Ihrem Terminkalender. Wird Musik da nicht zur Last?
Lang: Nein, das habe ich noch nie so empfunden. Solch ein ständiges Konzertieren ist einfach zentraler Bestandteil im Leben eines Pianisten, wir müssen lernen damit umzugehen. Ich habe mich auch längst daran gewöhnt. Sowohl an das Tempo, mit dem ich neue Werke einstudiere, als auch daran, sehr viel unterwegs zu lernen - im Vergleich zu Mozart geht es uns doch noch wirklich gut!
Inwiefern?
Lang: Nun, Mozart war fast die ganze Zeit auf Tour. Er hat praktisch alle Werke auf Reisen einstudiert - und auch die meisten Werke unterwegs komponiert! Da haben wir es doch heute sehr viel bequemer: Es gibt nicht nur die sehr angenehme Möglichkeit, mit dem Flugzeug zu reisen, sondern auch wirklich bequeme Autos und Züge. Zudem stehen uns rund um die Uhr MP3 und Smartphones zur Verfügung, wir können uns die meisten Werke auf Youtube anschauen - wenn ich mich da an meine Kindheit erinnere.
Damals standen Ihnen all diese technischen Möglichkeiten noch nicht zur Verfügung.
Lang: Nein, wenn ich damals in China mir etwa Aufnahmen berühmter Pianisten anschauen wollte, musste ich die Videos überhaupt erst einmal bestellen und dann meist lange auf die Cassetten warten. Oder wenn ich eine CD haben wollte, die es in China nicht zu kaufen gab, musste ich versuchen, mir diese über die Universität auszuleihen, was ebenfalls oft sehr lange dauerte - da haben wir es doch heute angesichts der Neuen Medien um vieles einfacher.
Nichtsdestotrotz bleibt für Sie die Herausforderung, im Schnitt jeden dritten Tag ein Konzert spielen zu müssen.
Lang: Nicht immer: Vor einiger Zeit habe ich zwei Monate pausiert und Urlaub gemacht
Ganz ohne Klavier?
Lang: Zumindest eine Woche lang habe ich tatsächlich nicht geübt - länger habe ich es dann nicht ausgehalten. Ein Leben ohne Musik ist für mich so langweilig, dass ich unbedingt wieder ans Klavier musste. Doch habe ich auch Musikerkollegen getroffen, habe einige Zeit mit Nikolaus Harnoncourt verbracht und mit Yo-Yo Ma und habe mich mit ihnen über Musik, aber auch die Entwicklung des Menschen, unterhalten.
Was möchten Sie im Konzert mit Ihrem Spiel erreichen - oder geht es Ihnen nur darum, Ihr Publikum zu unterhalten?
Lang: Als Musiker denkt man während der Aufführung nicht über sein Publikum nach - ebenso wenig wie man ein hübsches Mädchen wahrnimmt, dass in dem Moment vielleicht in der ersten Reihe sitzt. Und auch über all das, was man geübt und von anderen Musikern gelernt hat, sinnt man nicht nach: All dies Wissen und die damit verbundenen Emotionen sind im Augenblick des Konzerts vergessen, es geht nur darum, sich ganz dem Moment hinzugeben. Denn wer anfängt nachzudenken, verliert die Musik.
Haben Sie nicht über das Konzert hinaus den Wunsch, den Menschen mit Ihrer Musik etwas für deren Leben mitzugeben?
Lang: Die Musik ist eine eigene Welt - und entsprechend lässt sich mit dem Gehörten auch nicht nur eine einzige, ganz bestimmte Vorstellung verbinden. So wie es ja auch für die Interpretation an sich nicht nur eine einzige Betrachtung existiert, denn Musik entwickelt sich immer weiter. Natürlich gibt es Grenzen auf diesem Planeten Musik, doch ob nun bei Beethoven, bei Chopin oder Schönberg: Immer bietet sich uns ein großer, weiter Gestaltungsraum.
Ein weites Feld, das Sie längst über das klassische Konzert hinaus geführt hat, gelten Sie doch als Popstar der klassischen Musik. Ist die Klassik zu einem Teil des Showbusiness geworden?
Lang: Oh nein, ein Konzert ist doch viel, viel mehr als Entertainment! Ich habe niemals gefunden, dass klassische Musik eine Show ist. Musik ist wie eine große Welt mit verschiedenen Interpretationen und unterschiedlichsten Gefühle - die Klassik allerdings erreicht die Herzen der Menschen viel tiefer und wirkt auch viel länger nach als jedes andere Genre.
Schade nur, dass dies offenbar bei der jüngeren Generation nicht mehr so gut funktioniert - die hören oft lieber Pop-Musik.
Lang: Mag für die jüngere Generation die erste Annäherung an die Klassik auch schwieriger sein als bei einem Pop-Song, auf den man meist ganz unmittelbar reagiert: Ich bin überzeugt, dass es trotzdem gelingen kann. Wir müssen da nur auch neue Wege gehen: Nicht mit Blick auf die Musik selbst, aber hinsichtlich neuer kreativer Ideen, wie man diese Menschen ins Konzert locken, sie über die digitalen Medien gewinnen kann.
Geht das, ohne der Klassik an sich untreu zu werden?
Lang: Es hat ja nichts mit Show zu tun, es geht lediglich darum, die Kids überhaupt zu erreichen. Ich bin wirklich kein Crossover-Pianist, doch manchmal versuche ich einfach Wege zu gehen, die sich unmittelbar an die junge Generation richten: Nicht auf meinen Klavierabenden, sondern mit meinen Aktivitäten im Internet, auf PR-Aktionen oder auch über meine Stiftung. Im Konzert selbst hingegen bleibe ich Traditionalist.
Konzert am 13. Februar (20 Uhr) in Luxemburg, Grand Auditorium. Restkarten an der Abendkasse