Grünes Licht für Nachlass-Museum

Saarlouis · Lange schien sie aussichtslos, die Idee, im Saarland ein Forschungs- und Schauzentrum für Künstler-Nachlässe einzurichten. Jetzt kann das Projekt wohl realisiert werden. Denn der Kulturminister hat seine „grundsätzliche Bereitschaft“ zur Förderung erklärt.

 Nachlässe wie zum Beispiel der des renommierten Künstlers und Kunsthochschullehrers Boris Kleint (hier in seinem Atelier in den 50 Jahren) sollen gesichert werden. Foto: Historisches Museum Saar

Nachlässe wie zum Beispiel der des renommierten Künstlers und Kunsthochschullehrers Boris Kleint (hier in seinem Atelier in den 50 Jahren) sollen gesichert werden. Foto: Historisches Museum Saar

Foto: Historisches Museum Saar

"Für mich ist das die Stunde der Wahrheit", sagt Jo Enzweiler (79). Er meint damit den Grußwort-Auftritt von Kulturminister Ulrich Commercon (SPD) im Rahmen einer Vortrags-Veranstaltung, zu der die Saarbrücker Kunsthochschule heute eingeladen hat. Titel: "Lebenswerke. Künstlernachlässe. Stand der Dinge." Wie lassen sich die oft riesigen Nachlässe bildender Künstler für die Nachwelt sichern? Dazu spricht ein Bonner Fachmann mit Blick auf die gesamtdeutsche Situation. Denn längst ist das Thema bundesweit drängend; 2014 setzte es der Bundesverband Bildender Künstler (BBK) auf die Agenda. Also wie?

Für das Saarland weiß der Leiter des Instituts für aktuelle Kunst in Saarlouis (Laboratorium) Jo Enzweiler seit acht Jahren eine Antwort: Indem man sein Institut, ein Dokumentations-Archiv zu regionaler Kunst und Künstlern, konzeptionell und räumlich erweitert und zu einem "Forschungszentrum für Künstlernachlässe" macht. Im Mittelpunkt: die fachlich-wissenschaftliche Bearbeitung von Nachlässen und die Beratung von Künstlern und Erben. Doch das Zentrum soll laut Jo Enzweiler kein totes Archiv, sondern ein "lebendiger Ort" sein, mit Artothek, in der Kunst bereits verstorbener Künstler ausgeliehen werden kann, mit Studiensaal und Schaulager für Ausstellungen.

Nie, sagt der ehemalige HBK-Gründungsrektor, war die Gelegenheit so günstig wie jetzt. Das scheint auch der Kulturminister zu erkennen. Auf SZ-Nachfrage heißt es, er sei "grundsätzlich" zu einer finanziellen Förderung bereit, wenn auch nicht zu einer Alleinförderung. Ein Finanz- und Personalisierungskonzept sei in Arbeit. Doch offensichtlich drängt die Zeit. Der Investor, der Wohnanlagen hinter dem Laboratorium (Astra-Gelände) errichtet hat und das Projekt abschließen möchte, schlägt laut Enzweiler ein Public-Private- Partnership- Modell vor. Der Bauunternehmer will eine 400 Quadratmeter große Halle, die direkt hinter dem Laboratorium (200 Quadratmeter) liegt, schlüsselfertig ausbauen und durch einen Verbindungstrakt anschließen. Die Räume werden dann zurückgemietet.

Doch wer zahlt? Derzeit erhält das Institut für aktuelle Kunst keine institutionelle Förderung durch das Land, finanziert sich über Sponsoren. Die Stadt Saarlouis, der die Immobilie gehört, übernimmt Miete und Betriebskosten. Landesgelder sichern allerdings die einzige feste Stelle. Projekte laufen über Werkverträge - eine wacklige Konstruktion. Die wird sich, geht es nach Enzweiler, aber auch nach den Vorstellungen des Saarlouiser Oberbürgermeisters Roland Henz (SPD), ändern. Träger und Finanzier soll das Land werden, genauer die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Doch die hat sich bisher gegen jede Strukturänderung gesträubt. Die Fusion müsste sich auch nicht im Galopp vollziehen, meint Enzweiler: "Denkbar wäre ein Testlauf ohne Stiftung von rund fünf Jahren."

Selbst die kulturpolitisch bisher tabuisierte Idee einer Stiftungserweiterung findet "die Unterstützung durch Minister Commerçon", wie das Kulturministerium der SZ mitteilt. Dort tagt seit rund einem Jahr eine Arbeitsgruppe, mit noch vorläufigen Ergebnissen. Doch die Grundentscheidung für die neue Kultureinrichtung scheint gefallen. Das Andocken an Enzweilers Institut liegt nahe. Denn das Institut erstellt seit 1993 Werkverzeichnisse regionaler Künstler, verfügt also über tiefgehende Kenntnisse was Umfang und Qualität potenzieller Nachlässe angeht und hat intensive Kontakte zu Galeristen und Künstler-Familien. "Es sind Massen, die vererbt werden", berichtet Enzweiler. Bei Wohnungsauflösungen seien die Erben ratlos, wenn sie hunderte großformatige Werke und Zeichnungen fänden. Beispielsweise sei der Nachlass der Otto-Steinert-Schülerin Hanne Garthe "verramscht" worden: "Da bricht einem das Herz", sagt Instituts-Mitarbeiterin Claudia Maas.

Vortrag: heute, 17 Uhr, Aula der HBK (Saarbrücken, Keplerstraße 3-5).

Meinung:
Minister muss Flagge zeigen

Von SZ-RedakteurinCathrin Elss-Seringhaus

Das Saarland ist arm, aber keine Insel. Das Thema Künstlernachlässe und Digitalisierung des kulturellen Erbes beschäftigt Kulturpolitiker bundesweit. Auch hierzulande muss eine Lösung her. Was jetzt als Konzept auf dem Tisch liegt, hat Hand und Fuß. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass durch das Nachlass-Zentrum endlich auch die Debatte um eine Erweiterung und Neugliederung der Stiftung Kulturbesitz in Gang kommt, die nicht nur der Museumsverband fordert. Bisher hat sich der Kulturminister davor gedrückt. Jetzt muss er Flagge zeigen. In einem ersten Schritt heißt es jedoch, die Kosten offenzulegen, die der Kulturzuwachs zweifelsohne verursachen wird.

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Institut für aktuelle Kunst wird getragen von einem Förderverein (Vorsitz: OB Roland Henz, Saarlouis) und ist ein ausgegliedertes Institut der Kunsthochschule Saar (HBK). Das Institut hat die Aufgabe der Dokumentation und Vermittlung regionaler Kunst. 15 Werkverzeichnisse wurden publiziert, ein Internetlexikon erstellt und die Inventarisierung von Kunst im öffentlichen Raum geleistet.ce

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort