Brutale Anklagen und sanfte Töne

Saarbrücken · Die Stadtgalerie Saarbrücken zeigt zwei sehr gegensätzliche Künstler aus Süd- und Mittelamerika. Moris thematisiert brutale Gewalt in seiner Heimat Mexiko. Der Chilene Gianfranco Foschino seziert urbane und ländliche Szenen seines Landes.

 Diese Aufnahme stammt aus einer Videoarbeit des chilenischen Künstlers Gianfranco Foschino. Foto: Stadtgalerie/Foschino

Diese Aufnahme stammt aus einer Videoarbeit des chilenischen Künstlers Gianfranco Foschino. Foto: Stadtgalerie/Foschino

Foto: Stadtgalerie/Foschino

Durch das untere Geschoss der Stadtgalerie hallt ein furchtbares Geräusch. Metall wetzt auf blankem Stein. Das bedrohliche Geräusch wird durch die Installation "The Breathing of the beast" verursacht. Ein Küchenmesser hängt da mit T-Shirt-Fetzen an einem Motor und dreht scheppernd seine Runden um ein Bündel Brote auf Steinplatten. Mit einfachen Mitteln schafft es der 1978 geborene mexikanische Künstler Israel Meza Moreno, genannt Moris, Gewalt und Armut seiner Heimat darzustellen. Beherrscht von mächtigen Drogenkartellen und einer korrupten Politik versinkt sein Heimatland in einem Sumpf aus Gewalt . Rund 500 Gewaltdelikte gibt es alleine in Mexiko-Stadt jeden Tag. Moris klagt diese gesellschaftlichen Missstände immer wieder an. Sein Fundus ist unerschöpflich, denn die Arbeiten entstehen überwiegend aus Fundstücken. Er spielt mit Malerei, Collage und Installation und bringt Hoch-, Sub-, und Massenkultur zusammen. Immer wieder nutzt er Messer und abgebrochene Flaschenhälse als Metaphern für die Gewalt und Brote als Sinnbild für die Armut und den Hunger. Selten sind seine Arbeiten subtil oder leise. Es sind brachiale Klagen gegen den Verfall seines Landes, aber auch ein brutaler Angriff auf unsere Empfindungen.

Der letzte Raum im unteren Geschoss ist abgedunkelt. Im mexikanischen Wüstensand stehen neun Stehpulte. Am Eingang warnt ein Schild, dass hier gewalttätige Szenen gezeigt werden. Auf den Pulten liegen Mappen, die die Titel der sieben Todsünden tragen. Der Künstler hat sie leicht abgewandelt und ergänzt. Die Hefte offenbaren die ganze Bandbreite der Gewalt : Gefangene, Gefolterte, Getötete. Und immer wieder bestialisch verstümmelte Körper. Es sind nicht etwa Phantasmagorien von Moris, sondern Zeitungsausschnitte. Und während zartbesaitete Mitteleuropäer vor der Brutalität der Bilder gewarnt werden, ist dies in mexikanischen Zeitungen trauriger Alltag.

Ganz anders sind die Werke des Chilenen Gianfranco Foschino. Auch Chile hat viele soziale Probleme. Doch Foschino beklagt sich in seinen ruhigen Videoarbeiten weniger darüber, was Chile heute ist, sondern sucht nach den "Hidden Stories", den versteckten, verlorenen Geschichten. Seine Videoarbeiten bewegen sich an der Grenze von Fotografie und Film. Minutenlang fixiert die Kamera ein Motiv. Manchmal sind es Naturlandschaften, dann urbane oder ländliche Szenen. Fast schon poetisch ist die zweiteilige Rauminstallation "Espiritu Santo", bei der sich der Betrachter zwischen zwei Videowänden auf einer Landstraße im südamerikanischen Regenwald wiederfindet. Es ist düster und neblig und doch verspürt man kein Unbehagen. Foschino ist kein schöngeistiger Träumer. Mit voyeuristisch-sezierendem Blick filmt er immer wieder ländliche Szenen in Südamerika und sucht nach dem ursprünglichen Leben des Menschen im Einklang mit der Natur. Auch seine Szenen aus dem urbanen Südamerika sind keine Anklagen.

Die Ausstellung ist so sehenswert, weil sie die beiden gegensätzlichen Künstler in ein Spannungsfeld stellt. Es ist ein Spiel mit den ästhetischen Reizen einer uns fremden Welt. Während Foschino als Biennale-Teilnehmer längst einem breiten Kunstpublikum bekannt ist, darf Moris durchaus noch als Entdeckung gepriesen werden. Das sieht wohl auch das New Yorker MoMA so und erwarb in diesem Jahr eine Arbeit des Mexikaners.

Bis 31. Januar. Di-Fr: 11-18 Uhr. Sa/So: 11-18 Uhr. Direktorenführung heute, 17 Uhr.

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