Da war Musik drin

Neunkirchen · Musiker und Jury-Leiter Klaus Doldinger sprach am Donnerstagabend in der Stummschen Reithalle über seine Karriere und die Rolle der Filmmusik früher und heute. Am Flügel und bei der Diskussion begleitete ihn Kollege Frank Nimsgern.

Moderatorin Sabrina Staubitz spricht mit Thomas Kufus, Produzent von „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Links lauscht Regisseur Lars Kraume, rechts Bundesjustizminister Heiko Maas. Foto: Willi Hiegel

Moderatorin Sabrina Staubitz spricht mit Thomas Kufus, Produzent von „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Links lauscht Regisseur Lars Kraume, rechts Bundesjustizminister Heiko Maas. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Blickt Hollywood neugierig nach Neunkirchen ? Wohl nicht. Unstrittig ist aber, dass der große Sieger des Rohrbach-Filmpreises am Freitag, "Der Staat gegen Fritz Bauer", just einen Tag später in Los Angeles seine US-Kinorechte verkaufen konnte und demnächst in den USA startet. Ein Zufall, gewiss - aber einen Zusammenhang würde man dem Neunkircher Preis gönnen. Denn die Verleihung in der Gebläsehalle versprühte wieder ihren eigenen, überwiegend lässigen Charme, auch wenn das Sitzfleisch am Ende der Zweieinhalbstunden-Gala etwas gefordert wurde.

"Der Staat gegen Fritz Bauer", Lars Kraumes Film über den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968), der sich gegen die Verdrängung der NS-Historie stemmte, gewann den Hauptpreis, dotiert mit 10 000 Euro - die Laudatio hielt Bundesjustizminister Heiko Maas - dazu den Preis des Oberbürgermeisters (2500 Euro) für die Musik von Julian Maas und Christoph M. Kaiser; Burghart Klaußner erhielt den Preis als bester Darsteller und zeigte die schönste Geste des Abends: Er reichte seinen Preis-Scheck über 5000 Euro direkt an die Caritas Neunkirchen für deren Flüchtlingsarbeit weiter. Dass eine Filmkomposition prämiert wurde, lag nicht zuletzt am Jury-Vorsitzenden Klaus Doldinger , der in seiner Laudatio feststellte, dass bei Filmpreisen die Musik "eher hinten runter fällt". Umso mehr wurde es ein Abend mit viel Musik: Nicht nur, dass mit August Zirner und dem Spardosen-Terzett ein querflötender Schauspieler flott jazzte - Doldinger hing sich das Saxofon vor den Bauch und gastierte bei den Kollegen, besonders schön bei einer Samba-satten Version seiner "Tatort"-Melodie.

Mit seinen 79 war Doldinger nicht der Älteste auf der Bühne, sondern Namensgeber Günter Rohrbach (87). Er betonte, wie wichtig anspruchsvolle Filme sind, und zeigte abermals, dass er vieles lieber tut, als interviewt zu werden. Mit einem charmanten, aber bestimmten "Ich freue mich, dass ich mich verabschieden kann", entschwand er von der Bühne, da konnte ihn auch die bewährt witzige Moderatorin Sabrina Staubitz nicht mehr halten.

Was fiel sonst auf? Zum Beispiel, dass Klaus Doldinger am Mikro nicht zu bremsen ist, wenn es um das oftmals unterlaufene Urheberrecht an Kompositionen geht. Und dass Namensgeber Rohrbach in seiner Zeit beim WDR wegen seiner Strenge durchaus gefürchtet war, wenn man dem Laudator Gebhard Henke glauben darf ("coole Halle übrigens"), heute hohes Tier bei der ARD , damals Praktikant. Peter Lohmeyer lobte in einer charmant freischwebenden Rede die verhinderte Kollegin Martina Gedeck , die den Darstellerpreis im TV-Drama "Das Ende der Geduld" erhalten hatte; Corinna Harfouch , die ihren Darstellerpreis von 2014 abholte, hob zu einem denk- bis merkwürdigen Exkurs in die griechische Mythologie an, der sich um den Satyr Marsyas dreht, der nach einem musikalischen Wettstreit als gehäuteter Flötist endet. Flötist Zirner nahm das mit Fassung auf und widmete das nächste Stück Frau Harfouch, vielleicht aus Erleichterung, nicht gehäutet worden zu sein.

Ein glücklicher Gewinner war Regisseur Jan Georg Schütte, der den Innovationspreis der Saarland Medien (3500 Euro) für "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" erhielt. Er hatte reife Profis wie Mario Adorf und Senta Berger zum Improvisieren vor die Kamera geholt; das passte gut zu diesem Abend mit Rohrbach und Doldinger, diesen reifen Profis. Da kräuseln sich die Nackenhaare. Klaus Doldinger spielt ein melancholisches Motiv mit seinem Saxophon - und langsam schält sich die unvergessliche Melodie von "Das Boot" heraus. Es ist eines von mehreren musikalischen Schmankerln, mit denen Doldinger, am Flügel begleitet von Frank Nimsgern , seinen Vortrag in der Stummschen Reithalle untermalt. Der 79-Jährige erzählt lässig improvisierend von seiner langen Karriere , von der ersten Berührung mit dem Jazz als 16-Jähriger, von seinen Anfängen als Filmkomponist und natürlich vom "Boot", Anfang der 80er Jahre. Lothar-Günther Buchheim, der Autor der Buchvorlage, sei "großartig", aber etwas schwierig im Umgang gewesen, da er sich mit Wolfgang Petersens Drehbuchfassung nicht anfreunden konnte - das geschah erst Jahre später. Doldingers damaliges Urteil über den noch unbekannten Darsteller und Musiker Herbert Grönemeyer : "Naja, so doll singt der ja nicht." Die Komposition und Aufnahme der Filmmmusik zum "Boot" bleibt eine von Doldingers schönsten Erinnerungen - weniger, weil Produzent Rohrbach und Regisseur Petersen ihm freie Hand ließen ("sie mussten sich ja um alles andere kümmern"), sondern weil es ein Umgang zwischen Musiker und Filmer war, den er heute vermisst. "Heute ist das eher eine sachliche Zusammenarbeit, und den Autor lernt man erst gar nicht mehr kennen."

Dass sich bei der Film- und TV-Musik manches verändert hat, darüber sind sich in der anschließenden Diskussion mit Moderatorin Nina Azizi der Komponist und sein Kollege Frank Nimsgern einig. Zu wenig Zeit, zu viel Druck, zu wenig Budget. Doldingers Rat an aufstrebende Filmkomponisten: "Zeigen, dass man vielseitig ist." Er selbst habe viele Werbespots vertont, sagt er (und singt dann den Slogan "Odol gibt sympathischen Atem"). Nimsgern, der gerade einen "Tatort" komponiert, berichtet von Regisseuren, die ihm ihren Film vorlegen und den schon versuchsweise mit Musik anderer Filme unterlegt haben. "Und so ähnliche Musik wünschen sie sich dann. Da liefert man eher eine Tonspur ab als eine Komposition." Doldinger sieht es milder. Zwar müsse man froh sein, heute an einem wirklich substantiellen Film arbeiten zu können, "aber es kommen vielleicht wieder bessere Zeiten".

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