Abschied von Urmels Papa

Penzberg · Max Kruse hat eine der bekanntesten Kinderbuchfiguren überhaupt geschaffen: das Urmel. 1969 tapste es erstmals durch die Augsburger Puppenkiste. Jetzt ist der zurückgezogen lebende Schriftsteller im Alter von 93 Jahren gestorben.

Ein Eisberg wird eines schönen Tages an den Strand der tropischen Insel Titiwu geschwemmt. Darin verborgen ist ein Ei. Staunend blicken die Inselbewohner auf das Wesen, das sich langsam herausschält: ein Urmel - einer der letzten Dinosaurier, mit Nilpferdschnauze, langem Schweif und kleinen Flügeln. Kinderbuchautor Max Kruse war der Schöpfer des lispelnden und liebenswerten Urmel. Am vergangenen Freitag ist er im Alter von 93 Jahren gestorben, wie sein Verlag Thienemann-Esslinger gestern mitteilte. Kruse lebte zuletzt zurückgezogen im oberbayerischen Penzberg .

Die Geschichten von Urmel und seinen Freunden wurden weltweit mehr als 800 000 Mal verkauft; Kruses Gesamtauflage liegt bei über drei Millionen Exemplaren. Bis ins hohe Alter hinein hatte der Autor sich über diesen Erfolg gewundert. Aber Schriftsteller wollte er schon als kleiner Junge werden. "Da es in meiner Kindheit weder Radio noch gar Fernsehen und Internet gab, kannte ich nur Bücher, die ich verschlang", sagte er einmal. Sein künstlerisches Elternhaus prägte den 1921 in Bad Kösen an der Saale geborenen Jungen: Die Mutter war die Puppenmacherin Käthe Kruse, der Vater der Bildhauer Max Kruse. Für die Puppen und Stofftiere seiner Mutter schrieb er auch sein erstes, 1952 veröffentlichtes Kinderbuch: "Der Löwe ist los". Es sollte ursprünglich mit Fotos der von seiner Mutter geschaffenen Figuren illustriert werden.

Nachdem Kruse als Kind oft krank war und in den Genesungszeiten seine Liebe zur Literatur entdeckte, studierte Kruse bis 1943 in Jena. Er arbeitete später als Kaufmann und baute 1945 die Werkstätten seiner Mutter in Bad Pyrmont neu auf. Der alte Betrieb war enteignet worden; das Unternehmen übergab er 1958 an seine Schwester.

Mehr als 50 Kinder- und Jugendbücher hat Kruse geschrieben. Neben dem Urmel sind "Lord Schmetterhemd" und "Don Blech" weitere Charaktere, die bei der Augsburger Puppenkiste ein Leben an Fäden führten. Aber auch Kurzgeschichten, Gedichte und eine Autobiografie hat er verfasst. Kruse selbst hielt seinen Fantasy-Roman "Der Schattenbruder" für sein bestes Buch. Am beliebtesten aber waren sein vorlautes Urmel und die anderen liebenswerten Inselbewohner: Der Waisenjunge Tim Tintenklecks und Professor Habakuk Tibatong, der den Tieren das Sprechen beigebracht hat.

Schon im Entstehungsjahr 1969 wurde die Geschichte des Urmel von der Augsburger Puppenkiste mit Marionetten nachgespielt und lief im Fernsehen. Mitte der 90er Jahre folgte eine Zeichentrick-Adaption, 2006 und 2008 entstanden Kinofilme. Und 45 Jahre nach dem ersten Band erschien 2013 "Urmel saust durch die Zeit", in dem der Autor Kindern die Evolutionstheorie nahebringen wollte. "Das klingt konstruiert, funktioniert aber bestens", lobte die "Stuttgarter Zeitung" und sah den Autor "auf der Höhe der Zeit und seiner Kunst".

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