"Es lässt sich immer eine Lösung finden"

Was bedeutet für Sie die politische Entscheidung, Inklusion in zwei Jahren auch an weiterführenden Schulen umzusetzen?Jungfleisch: Wir haben keine Angst vor der Inklusion. Wir denken inklusiv und werden daran konzeptionell weiterarbeiten.

Was bedeutet für Sie die politische Entscheidung, Inklusion in zwei Jahren auch an weiterführenden Schulen umzusetzen?Jungfleisch: Wir haben keine Angst vor der Inklusion. Wir denken inklusiv und werden daran konzeptionell weiterarbeiten.

Prianon: Regelschulen müssen auch sicher nicht befürchten, dass plötzlich mehr Schüler zu ihnen kommen, die in einer Förderschule besser aufgehoben sind.

Warum?

Jungfleisch: Es ändert sich erstmal nur der Weg. Bisher stellen Eltern einen Antrag auf Besuch einer Regelschule. Jetzt ist die Regelbeschulung der Normalfall. Und Eltern stellen einen Antrag auf Besuch der Förderschule. Der Elternwille war und bleibt entscheidend. Und es gab und gibt Kinder, für die der Besuch der Regelschule auf Grund ihrer Behinderung einfach keinen Sinn macht.

Los geht es jetzt erstmal zum neuen Schuljahr mit der Inklusion an Grundschulen. . .

Jungfleisch: Vielleicht ist das für uns sogar ein Vorteil. Bislang konnten Schüler mit Auffälligkeiten auch ohne Überprüfung durch die vier Grundschuljahre kommen. Jetzt mit der Inklusion an Grundschulen und mehr Förderlehrern fällt das eine oder andere Kind vielleicht früher mit Förderbedarf auf. Bislang wäre es vielleicht erst bei uns überprüft worden und hätte Hilfen erhalten.

Wie viele Fälle von Schülern mit Förderbedarf haben Sie denn derzeit?

Prianon: Pro Schuljahr sind es etwa vier oder fünf Fälle. Zu Beginn dieses Schuljahrs waren bei uns drei Förderlehrer mit zusammen zehn Stunden eingesetzt - mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten.

Wie kommt ein Kind an Integrationsstunden?

Prianon: Fällt uns ein Kind auf, lassen wir es durch einen Förderschullehrer überprüfen. Sieht er beispielsweise eine Lernbehinderung, prüft ein Förderausschuss, ob das Kind den Abschluss an einer Regelschule schaffen kann. Bei Ja empfiehlt der Ausschuss Integrationsstunden. Den Antrag stellen die Eltern, das Bildungsministerium entscheidet.

Was passiert konkret, um ein Kind mit Beeinträchtigungen zu integrieren?

Jungfleisch: Da muss man immer den Einzelfall sehen - um welche Beeinträchtigung handelt es sich? Kinder mit einer körperlichen Behinderung, mit einer Lernstörung, mit einer Verhaltensauffälligkeit? Und dann überlegen, welche Hilfen gibt es? Wir glauben, es lässt sich immer eine Lösung finden, wenn das Kind grundsätzlich das Schulziel erreichen kann.

Prianon: Wir hatten da zum Beispiel der Fall eines hörgeschädigten Mädchens. Ein Hörgerät und ein mit dem Hörgerät verbundenes Mikro für den Lehrer haben geholfen. Und wenn ein Schüler mit Rollstuhl zu uns kommt, werden wir organisieren, dass er barrierefrei sein Klassenzimmer erreichen kann.

Das waren körperliche Beeinträchtigungen. Was bei verhaltensauffälligen Schülern?

Prianon: Nun, da helfen nach unserer Erfahrung auch ein engagiertes Lehrerteam und eine gemeinschaftlich denkende Klasse. Wir hatten einen Jungen, der große Probleme machte. Es gab viele Elterngespräche. Unsere Schulphilosophie, die nicht auf Strafen setzt, sucht andere Hilfen. Genutzt haben wir etwa die Kassenleiterstunde. Die ganze Klasse wird eingebunden, wir setzen auf die Einsicht der Schüler. Der Junge bekam dann zunächst noch Familienhilfe, lebt heute in einer Wohngruppe. Er kann an der Schule bleiben, ist in die Klasse integriert.

Integration stößt auch an Grenzen. . .

Jungfleisch: Wir werden weiter Förderschulen brauchen, aber wir können mit inklusivem Denken und Handeln die Zahl der Förderschüler reduzieren. Dafür brauchen wir neue Lern-Arrangements, insgesamt auch eine neue Schul-Kultur.

Prianon: Lernen muss noch stärker individualisiert werden, am einzelnen Schüler ausgerichtet. Das braucht auch entsprechende Inhalte in der Lehrerausbildung. Foto: Wieck

Foto: Schule

Hintergrund

Im kommenden Schuljahr wird die UN-Behindertenrechtskonvention im Saarland an allen Grundschulen umgesetzt - Inklusion, gemeinsamer Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung. Die Einführung der Inklusion an weiterführenden Schulen folgt zum Schuljahr 2015/16. "Wichtig ist, dass wir genug Zeit haben, die konzeptionellen Voraussetzungen zu schaffen", so Bildungsminister Ulrich Commerçon in der SZ. Die Umsetzung an den beruflichen Schulen soll im Schuljahr 2020/21 beginnen. cle

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