Im griechischen Drama kommt neuer Leichtsinn auf

Das griechische Desaster erfährt eine überraschende Fortsetzung. Dass Athens Finanzminister auch gestern wieder kleinlaut erhebliche Defizite bei der Umsetzung der verordneten Reformen eingestehen musste, klingt zwar altbekannt. Doch diesmal braucht der griechische Kassenwart die Folgen nicht zu fürchten: Der Wind hat sich gedreht. Nach sieben Jahren ständigen Ringens um das Überleben im Euro-Raum kann sich niemand eine weitere Katastrophe leisten. Also ist der politische Wil le zur Rettung stärker denn je; auch deshalb, weil die großen Länder sich ihre Wahlkampfzeiten nicht von schlechten Nach richten vermasseln lassen wollen.

Das dritte Rettungspaket über 86 Milliarden Euro läuft nächstes Jahr aus. Bis dahin wird die Eurogruppe Athen alimentieren, erst dann stehen Entscheidungen über die geforderten Schulden-Erleichterungen an. Dabei wissen alle, dass diese zwar auf dem Papier wirken, die Realität aber nicht verändern. Selbst wenn Banken, Euro-Notkasse, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds den Griechen ihre Staatsschulden erlassen, steht das Land in höchstens drei Jahren vor den gleichen Problemen wie heute. Weil auch die zentralen Baustellen weiter offen sind: Ohne Reformen in der staatlichen Verwaltung, im öffentlichen Dienst, in der Sozialversicherung und bei der Privatisierung kommt Hellas nicht auf die Füße.

Griechenland braucht gute Förderbedingungen für private Unternehmen, für Investoren, für kleine und mittelständische Betriebe. Stattdessen werden alle, die etwas für einen Aufschwung tun könnten, von einer gängelnden Verwaltung erstickt. Der Umbau dauert zu lange und überfordert eine linke Regierung, die lieber Millionen Euros als Weihnachtsgeschenke verteilt als sie in Jobs, Aufträge und Arbeitsplatz-Programme zu investieren. Ein echter Rückschritt.

Trotzdem wird die Regierung in Athen ihren Plan wohl durchsetzen und noch 2017 an den Finanzmarkt zurückkehren. Ein Wachstum von 2,7 Prozent in diesem und 3,5 Prozent im nächsten Jahr soll Geldgeber überzeugen. Rückenwind kommt von der Euro-Notkasse, dem ESM in Luxemburg: Die 86 Milliarden aus dem dritten Hilfspaket würden möglicherweise gar nicht aufgebraucht, heißt es dort. Solche Signale muss man gar nicht schlechtreden. Aber sie verleiten dazu, den Reformdruck zu mindern - und neuen Leichtsinn aufkommen zu lassen.

Trotzdem werden sich die Geldgeber am Ende zu Schulden-Erleichterungen durchringen. Aber es soll bitte niemand glauben, dies sei ein Zaubermittel gegen den Berg der Staatsschulden. Alle, die Griechenland sanieren oder retten könnten, brauchen einen funktionierenden Staat. Wie hoch der überschuldet ist, bleibt eher zweitrangig. Das Problem besteht darin, dass diese beiden Faktoren untrennbar zusammenhängen: Wer überschuldet ist, reformiert nicht. Wer aber das eine Problem anpackt, löst auch das andere.

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