Einmal muss Merkel noch ran

Es wird Angela Merkel, Horst Seehofer und allen anderen in der Union schon noch dämmern, dass eine zu lange offen gehaltene Kanzler-Kandidatenfrage nichts bringt außer Verdruss. Bei der SPD kann man darüber abendfüllend traurige Lieder singen. Denn es melden sich im Verlauf einer solchen Personaldebatte ja nicht nur die, die sich ganz dringend die Kandidatin Angela Merkel wünschen, es melden sich bald auch die, die ihre Strahlkraft infrage stellen, zumal man das sogar in Umfragen messen kann. Und schon ist die Beschädigung da. Je länger Merkel das wabern lässt, desto mehr wächst dann auch noch der Eindruck von persönlicher Entscheidungsschwäche, gar Lustlosigkeit.

Machtsicherung aber ist der Gen-Code der Union, sie wird ihn nicht für Spielchen ändern, auch nicht für solche, die in München bei der CSU momentan erdacht werden. Es gibt zudem einen ganz natürlichen Termin für eine Entscheidung, nämlich den CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen. Angela Merkel will sich dort für weitere zwei Jahre zur Parteivorsitzenden wählen lassen, also wird sie irgendetwas sagen müssen. Sie könnte die Verkündung einer erneuten Kanzlerkandidatur im Übrigen bei diesem Treffen nützlich einsetzen, um trotz ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik wieder große Unterstützung zu bekommen. Denn die eigene Kanzlerkandidatin beschädigen, das ist nicht CDU-Stil.

Theoretisch könnte Merkel zwar beide Fragen voneinander trennen, doch Vorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand zu halten, war stets ihr eigenes Credo. Und auch das der Partei, von Adenauer bis Kohl, jedenfalls immer, wenn die Union regierte. Ausnahmen bildeten nur die Bewerbungen der CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber zu Oppositionszeiten. Beide Versuche scheiterten kläglich, aber bitte, wird Merkel zu Horst Seehofer sagen: Viel Vergnügen. Doch der aktuelle Bayern-König ist anders als seine früheren Vorgänger eher aus Weichholz geschnitzt. Und andere Konkurrenten Merkels gibt es nicht, schon gar keine aussichtsreichen.

So lange sie gesund ist, gebietet es Merkels Verantwortung für die Union, 2017 noch einmal anzutreten. Und so verantwortungsvoll ist sie, das können auch private Gründe nicht toppen. Ohne sie bräche nämlich in ihrer Partei sofort das Chaos aus. Wahr ist aber auch, dass sie nicht mehr lange weitermachen kann, vielleicht nicht einmal mehr eine volle weitere Legislaturperiode. Jeder Kanzler hat nur einen Zenit der Macht. Auch Merkel hat ihren schon deutlich hinter sich. Wahrscheinlich ist die ungeklärte Frage, wie sie ihre Kanzlerschaft ehrlich und sauber beenden kann, wenn sie 2017 wieder antritt, die, die Angela Merkel jetzt am meisten zögern lässt.

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