Das holländische Lehrstück gegen Rechts

Den Haag · Analyse Die Niederländer haben den Populisten Geert Wilders in die Schranken gewiesen. Der Siegeszug der Rechtspopulisten ist damit aber noch nicht gestoppt.

Ob der alte und neue niederländische Premier am Tag seiner Wiederwahl kurz daran gedacht hat, sich für die unerwartete Hilfe bei den Präsidenten Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan zu bedanken? Es ist nicht überliefert. Dabei ist Mark Rutte den beiden abschreckenden Beispielen der internationalen Politik zweifellos viel schuldig. Der türkische Staatspräsident schickte ihm gleich zwei Minister ins Haus, der Niederländer konnte sie vor laufenden Kameras des Landes verweisen. Trump wiederum liefert seit Wochen tagtäglich neue Argumente für diejenigen Niederländer, die mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders nicht auch noch eine Kopie des US-Präsidenten im eigenen Land haben wollten.

So hat Rutte in unserem Nachbarland vorgemacht, wie man mit solchen Leuten umgehen sollte: Man stellt und entlarvt sie. Wilders' Sprüche über marokkanische Mitbürger, die er in bewährter Trump-Diktion als "Abschaum" bezeichnete, ging vielen zu weit. Die Niederländer haben ein klares Zeichen gesetzt, dass sie nicht bereit sind, jede Pöbelei als Qualifikation für einen Regierungsjob anzusehen. Das war wohltuend. Dennoch scheint die These, dass spätestens mit diesem Wahltag der Siegeszug der Populisten seinen Höhepunkt überschritten hat, zumindest gewagt.

Ruttes überlegenes Auftreten gegen die unerwünschte Invasion der türkischen Minister, die für ihr Land im Oranje-Staat Wahlkampf machen wollten, empfanden viele nicht nur als eindrucksvoll, sondern auch als berechtigt. Der wachsende Druck Ankaras, der EU wüst zu drohen und ihre Spitzenpolitiker zu beschimpfen, weckte das Bedürfnis nach einer starken Reaktion. Die Türkei hat kein Recht, unser Land in den Dreck zu ziehen - das war die allgemeine Stimmung, die Rutte geschickt aufgegriffen hat.

Europas rechtspopulistische Szene kann immerhin verunsichert sein. Der penetrante Versuch, sich gegenseitig mit immer neuen sprachlichen Anleihen beim Wortschatz der Nazis zu übertrumpfen, wirkt nicht nur nicht mehr. Er schlägt ins Gegenteil um. Nach all den Lügen und Legenden beim Brexit-Referendum und im US-Wahlkampf erscheint dies als positives Zeichen. Dennoch sind die Populisten innerhalb der europäischen Union keineswegs auf dem Weg in die politische Bedeutungslosigkeit. Auch in den Niederlanden nicht. Wilders konnte zwar nicht sein Ziel erreichen, mit seiner Partei zur stärksten Kraft aufzusteigen. Aber auch Platz zwei darf niemanden gleichgültig lassen.

Ob Front National in Frankreich oder AfD in der Bundesrepublik - hinter den Parteien und Gruppierungen, die nur das Sammelbecken der Unzufriedenen sind, stecken Ängste, die man ernst nehmen muss. Auch auf europäischer Ebene. Es wäre naiv zu glauben, die EU brauche bloß mehr bunte Prospekte und Anstecknadeln, um für die Idee hinter der Gemeinschaft und vor allem für die Notwendigkeit gemeinsamer, abgestimmter Politik zu werben. Diese Union darf durchaus selbstbewusster sein, ohne dabei zu übersehen, wo sie dringenden Reformbedarf hat.

In wenigen Tagen begeht die Gemeinschaft ihren 60. Geburtstag, und sie wird dies mit einer beeindruckenden Bilanz des Erreichten verbinden. Das ist angemessen, aber zu wenig. Die Menschen wollen Veränderungen zum Besseren sehen und nicht nur hören, dass man darüber geredet und sich wenigstens nicht gleich wieder zerstritten hat. Das Beispiel der Niederlande zeigt: Einsatz lohnt sich.

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