Terror-Hilfe der Bundeswehr bedeutet nicht Militärstaat

Hinter der Kritik an der gemeinsamen Großübung von Polizei und Bundeswehr, die gestern auch im Saarland stattfand, steckt die Befürchtung, dass der Weg für mehr Befugnisse der Truppe im Innern geebnet werden soll. Doch die Diskussion darf nicht in der Form verengt werden. Die Übung ist kein trojanisches Pferd. Vielmehr hat sich durch den islamistischen Terrorismus die sicherheitspolitische Lage dramatisch verändert - zu welchen Mitteln die Fanatiker noch greifen könnten, möchte man sich nicht ausmalen. Aber darum geht es - um die Abwehr massiver Attacken. Um den Extremfall.

Wie wichtig es grundsätzlich ist, dass im Bereich der Terrorabwehr und der inneren Sicherheit die Zusammenarbeit funktioniert, und welche schwerwiegenden Folgen Pannen haben können, zeigt der Blick auf zwei Beispiele der jüngsten Vergangenheit: So konnte das rechte NSU-Terrornetzwerk auch deshalb ungehindert in Deutschland morden, weil die Kooperation der Sicherheitsbehörden mangelhaft oder nicht gewollt gewesen ist. Auch im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri wurden die Verantwortlichkeiten monatelang hin- und hergeschoben, mit dem Ergebnis, dass Amri mit einem Lkw in eine Menschenmenge rasen konnte. Behält man diese beiden Ereignisse im Hinterkopf, wird einem umso klarer, warum es absolut notwendig ist, dass gerade in einem föderalen Staat die unterschiedlichen Ebenen und Behörden in der Sicherheitspolitik miteinander harmonieren.

Erst recht muss das für die beiden Institutionen gelten, die allein über das Personal und das Material zur Bewältigung von großen Terrorlagen verfügen: Polizei und Bundeswehr. Deswegen ist die Übung richtig. Zweifler mögen zudem nach Frankreich und Belgien schauen. Dort führten Terroranschläge zum Teil zu einem tagelangen landesweiten Ausnahmezustand, der ohne Militär nicht zu bewältigen gewesen wäre. Nun gibt es gewiss in beiden Ländern nicht eine so strikte rechtliche Trennung der Aufgaben, wie das in Deutschland der Fall ist. Auch sind die Sicherheitsstrukturen anders. Aber es gibt inzwischen Situationen, in denen man nur gemeinsam Herr der Lage wird - Frankreich und Belgien haben sie erlebt.

Deutschland wird durch das Üben von Kommunikation, Koordination und Alarmketten noch lange kein Militärstaat. Welche Debatte würde hinterher wohl geführt werden, wenn bei einem Anschlag Schlimmeres nicht verhindert wurde, weil es keine funktionierende Kooperation gab? Eines darf man zudem nicht vergessen: Wer der Bundeswehr im Innern neue Aufgaben geben will, muss erstens am Grundgesetz schrauben. Dafür gibt es keine Mehrheit. Zweitens verkennt derjenige die Belastungsfähigkeit der Truppe. Schon jetzt agieren die Soldaten an der Grenze des Zumutbaren. Schon jetzt fehlt Nachwuchs, gibt es in manchem Materialbereich erhebliche Mängel. Mehr geht nicht. Mit Ausnahme von Extremfällen.

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