Ein Schleudersitz als Objekt der Begierde

Berlin · Gleich zwei brisante Themen stehen auf der Agenda, wenn morgen der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn tagt: der neue Kosten- und Zeitplan für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 und das Sanierungskonzept für die Güterbahn-Tochter DB Cargo. Um Personalien geht es offiziell nicht. Doch hinter den Kulissen läuft ein Machtkampf um die Führung des Staatskonzerns.

Daran beteiligt sind drei Männer. Bahnchef Rüdiger Grube (64), dessen Vertrag im Dezember 2017 endet, möchte gern weitermachen. Seinem Stellvertreter Volker Kefer (60) werden schon länger Ambitionen auf das Amt nachgesagt. Dritte Kraft im Spiel ist Ronald Pofalla (57), Ex-Kanzleramtsminister und seit August 2015 Bahn-Vorstand für Wirtschaft, Recht und Regulierung.

Besonders Kefer steht derzeit in der Kritik. Er trägt die Verantwortung für das umstrittene Projekt Stuttgart 21 mit dem neuen Tiefbahnhof und den Tunnelstrecken dorthin. Nun liegt ein neue Bestandsaufnahme vor. Demnach ist der Finanzpuffer fast aufgebraucht. Geht noch mehr schief als bisher, könnte der Rahmen von 6,5 Milliarden Euro gesprengt werden. Zudem wird deutlich, dass sich die geplante Inbetriebnahme Ende 2021 kaum noch realisieren lässt. Im Aufsichtsrat fühlten sich einige "hinters Licht geführt". Kefer habe die Kostensteigerung zu verbergen versucht und sie erst offengelegt, als es nicht mehr anders ging, heißt es aus dem Umfeld.

Hätte der Aufsichtsrat kein Vertrauen mehr in Kefer, müsste Grube ihn auswechseln und wäre damit selbst beschädigt. Beim Bund als Eigentümer der Bahn steht der Vorstandschef ohnehin unter verschärfter Beobachtung, das weiß er selbst. Schon Mitte April nahm Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) kein Blatt vor den Mund: Planziele seien verfehlt worden, der Verlust von 2015 dürfe sich keinesfalls fortsetzen. Und überhaupt laute die Erwartung, dass man "Mobilitätstrends erkennen und entsprechende Angebote dafür setzen muss" - eigentlich eine Banalität für einen Verkehrskonzern. Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht bezeichnete den Zugverkehr in Deutschland als "größtes Sorgenkind".

Von Grubes und Kefers Schwäche könnte Pofalla profitieren, der über seine Ambitionen schweigt. Gegenwärtig wäre sein Aufstieg allerdings wohl schwierig durchzusetzen. Angesichts öffentlicher Debatten über seinen Wechsel aus dem Kanzleramt in die Konzernführung musste er ein Jahr Wartezeit hinnehmen.

Noch versucht Grube gegenzusteuern: Den Vorstand krempelte er um, weitere Milliarden-Investitionen sollen kommen, die Züge endlich pünktlicher werden. Dafür hat er die ausdrückliche Unterstützung des Bundes - und soll nun liefern, statt abrupt seine Sachen zu packen. Bis zum Herbst dürfte auch die Weichenstellung für einen Börsengang der internationalen Töchter Arriva und Schenker entscheidungsreif sein.

Auf einem anderen Blatt steht, was ab Januar 2018 wird. Üblicherweise erhalten Manager mindestens ein Jahr vor Vertragsende Klarheit, ob es für sie weitergeht. Würde Grube zwei Jahre dranhängen, wäre er 68 und hätte sich zehn Jahre lang auf dem Schleudersitz gehalten. Doch eindeutige Signale gibt es vorerst nicht. Solche Fragen seien dann zu beantworten, wenn sie zu beantworten sind, formulierte Minister Dobrindt. Das entscheidende Wort hat ohnehin traditionell das Kanzleramt. Grube gibt sich derweil gelassen. Er sei noch nie hinter seinem Vertrag hergelaufen, betont er.

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