Assange hat die Wahl

Julian Assange bleibt in seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft - und alle Beteiligten, Kritiker wie Fans, bleiben bei ihrer Meinung. Die Situation ist so festgefahren wie vor mehr als dreieinhalb Jahren.

Dabei muss diese Geschichte endlich ein Ende haben. Zu lange hat sich Julian Assange zu einem freiwilligen Gefangenen gemacht und sich mit der Flucht ins Asyl über das Gesetz erhoben. Der Internet-Aktivist sollte sich den Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden stellen. Unter den aktuellen Umständen wird der Australier aber wohl in der Londoner Botschaft bleiben.

Gibt es eine Lösung? Sind die Anschuldigungen aus Schweden tatsächlich politisch motiviert? Wird er sofort in die USA ausgeliefert, sobald er britischen Boden betritt? Oder ist Assange einfach nur zu feige, sich den Vorwürfen zu stellen? Dass eine UN-Arbeitsgruppe zu dem Urteil kommt, seine Flucht in die Botschaft sei eine "willkürliche Inhaftierung", lässt erst einmal aufhorchen. Immerhin sind es unabhängige Rechtsexperten, die hier Staaten wie Großbritannien und Schweden attackieren. Bei genauerem Hinsehen fragt man sich aber, wie eben jene UN-Mitarbeiter die Sache so falsch interpretieren konnten. Assange ist nicht in einem Gefängnisbunker inhaftiert, sondern freiwillig ins Asyl geflüchtet. Er hatte die Wahl. Natürlich weiß er, was ihm blüht, sollte er aus der Botschaft marschieren. Doch warum sollte er keine faire Behandlung genießen, wenn er nach Schweden ausgeliefert wird? Dass das UN-Gremium meint, Assange sollte für sein Versteckspiel Entschädigungszahlungen erhalten, ist an Absurdität kaum zu übertreffen.

Die kontroverse Diskussion um den PR-Profi Assange fordert schon zu viel Aufmerksamkeit. Es geht um mehr als nur ihn. Während die Welt darüber streitet, ob ihn seine Wikileaks-Enthüllungen zum Held machen oder er doch ein Vergewaltiger ist, rücken die Erfolge und vor allem die Bedeutung der Plattform in den Hintergrund. Wikileaks hat mit den Enthüllungen unter anderem über die Einsätze in Afghanistan und im Irak eine öffentliche Debatte angestoßen, die längst überfällig war und leider schon wieder dabei ist, zu verblassen. Im Mittelpunkt der Debatte sollten die Verfehlungen der Regierungen stehen, die immer wieder im Verborgenen Gesetze übertreten und Menschenrechte außer Acht lassen - und Geheimdienste, die die eigene Bevölkerung ausspionieren, statt uns vor jenen zu beschützen, die uns bespitzeln. Informanten, "Whistleblower", bieten den Mächtigen dieser Welt die Stirn und nehmen ein großes Risiko auf sich. Assange wusste, was auf ihn zukommt, und hat trotzdem den Whistleblowern dieser Welt eine öffentliche Plattform geschaffen. Das verdient Anerkennung - losgelöst von persönlichen Verfehlungen.

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