Auch Schürrle blüht in der Wohlfühloase auf

Baku · In Dortmund im Tief, bei Joachim Löw obenauf: Was einst für Mario Götze galt, betrifft nun auch seinen Vereinskollegen beim BVB.

 Der Dortmunder André Schürrle präsentierte sich gegen Aserbaidschan in einer tollen Verfassung. Foto: Karimov/dpa

Der Dortmunder André Schürrle präsentierte sich gegen Aserbaidschan in einer tollen Verfassung. Foto: Karimov/dpa

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Eine feucht-fröhliche Siegesfeier ist es für André Schürrle dann doch nicht geworden an Bord des nächtlichen Sonderfluges LH 343 von Baku nach Frankfurt. "Wenn wir was trinken dürfen, würde ich einen ausgeben", hatte der Doppeltorschütze beim 4:1 (3:1) in der WM-Qualifikation gegen Aserbaidschan vor dem Einsteigen in Richtung seines zweimaligen Zuarbeiters, des Saarländers Jonas Hector, gesagt. Doch für eine spontane Party waren die Profis zu kaputt.

Dabei hätte Schürrle guten Grund gehabt, auf seinen Auftritt anzustoßen. Mit seinen Länderspieltoren Nummer 21 und 22 (19. und 81. Minute) sowie dem Traumpass auf Thomas Müller vor dem wichtigen 2:1 (36.) war er der beste Mann auf dem Platz. Seine Dortmunder Krise? Ballerte er einfach weg. "Das tut extrem gut", sagte Schürrle, der beim BVB im Schatten von Pierre-Emerick Aubameyang, Marco Reus oder Ousmane Dembélé steht. In der Nationalmannschaft, betonte der Mann, der Mario Götze 2014 den goldenen WM-Treffer aufgelegt hatte, fühle er sich "pudelwohl". Auch weil ihm Bundestrainer Joachim Löw "öffentlich das Vertrauen" schenke. Wie am vergangenen Samstag, als Löw vor dem Spiel in Baku Schürrles Dynamik, Torgefährlichkeit, Effizienz, Fitness und Engagement lobte.

Schürrles Vereinstrainer Thomas Tuchel sind diese Eigenschaften ebenfalls bekannt. Allerdings ließ er den 30 Millionen Euro teuren Sommerzugang in 13 Pflichtspielen 2017 nur vier Mal über 90 Minuten ran. "Wenn man wenig spielt, fehlt etwas das Vertrauen", sagte Schürrle dazu.

Das war in Baku jedoch nicht zu spüren. Schürrle war extrem lauf- und einsatzfreudig sowie in einer guten Offensive der mit Abstand gefährlichste Stürmer. Von einer "Erlösung" wollte er aber nichts wissen. "Mir sind keine Steine vom Herzen gefallen", sagte er, "ich weiß, was ich kann". Seine Situation beim BVB werde "zu negativ" gesehen. Dennoch: Dass er dort zuletzt wenig spielte, ist Fakt. Löw aber ist inzwischen ein Meister darin, Spieler aufzubauen, die in ihren Vereinen Probleme haben. Wie Götze in dessen Münchner Zeit, wie nun auch den Bayern-Reservisten Joshua Kimmich. DFB-Präsident Reinhard Grindel lobte, dass es Löw und seinem Stab stets gelänge, "eine vertraute und angenehme Atmosphäre" zu schaffen, in der "die Spieler ihre Form abrufen" könnten. Löw habe dafür "eine Nase".

Dieser Riecher hatte ihn vor dem Spiel darauf gebracht, Schürrle mal beiseite zu nehmen. "Der Bundestrainer hat mit mir ein Einzelgespräch geführt", äußerte der 26-Jährige, "und mir ein paar Sachen gesagt." Zum Beispiel, dass Schürrle überraschend zu seinem ersten Einsatz von Beginn an seit Oktober 2015 kommen würde. Und Schürrle zahlte das Vertrauen mit seinen ersten Toren im DFB-Dress nach zehn Spielen Durststrecke zurück. Ob es ihm auch beim BVB hilft? "Ich werde in Dortmund weiterhin alles geben, wenn ich die Chance bekomme", sagte Schürrle.

Seine nächste Chance im DFB-Team wird noch eine Weile dauern. Als sich nach der Landung gestern früh um 5.04 Uhr auf dem Rhein-Main-Airport die Wege trennten, verabschiedete Bundestrainer Löw etliche seiner Asse in eine lange Länderspielpause. Extrem belastete Vielspieler wie die noch in der Champions League beschäftigten Weltmeister Toni Kroos, Sami Khedira, Manuel Neuer, Mats Hummels oder Thomas Müller sollen im Sommer lieber lange Urlaub machen, anstatt sich noch zusätzlich zu verausgaben. Alle Aufgaben im Juni, das Testspiel in Dänemark, die Qualifikationspartie gegen San Marino und den Confed-Cup, will Löw mit einem Perspektivteam angehen, zu dem Schürrle als Erfahrener allerdings zählen dürfte.

"Jedes Jahr ein Turnier ist nicht so einfach wegzustecken für die Spieler", erläuterte der Chef: "Sie sind bei Turnieren sieben, acht Wochen nach der Saison unter höchster Belastung, körperlich, psychisch, emotional. Über allem steht aber die WM 2018."

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