Ein Europameister mit „Prediger-Gen“

Berlin · Auf dem Parkett hat Henning Harnisch alles gewonnen. EM-Titel, Basketballer des Jahres, neun Meisterschaften. Inzwischen verschreibt er sich der Nachwuchsförderung - und steht beispielhaft für eine Entwicklung.

 Henning Harnisch beobachtet in der Max-Schmeling-Halle in Berlin ein Kind bei einem Ballwurf. Die „kinder + Sport Basketball Academy“ wurde maßgeblich von Harnisch mitentwickelt. Foto: Jensen/dpa

Henning Harnisch beobachtet in der Max-Schmeling-Halle in Berlin ein Kind bei einem Ballwurf. Die „kinder + Sport Basketball Academy“ wurde maßgeblich von Harnisch mitentwickelt. Foto: Jensen/dpa

Foto: Jensen/dpa

Wie ein Ruhepol sitzt Henning Harnisch am Rand des Parketts in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Auf sechs Basketballfeldern wuseln schon morgens um kurz nach 9 Uhr Kinder umher - der 48-Jährige beobachtet das Treiben aufmerksam. "Genau so habe ich mir das damals vorgestellt", sagt der Europameister von 1993 mit einem Augenzwinkern über seine Anfänge in der Nachwuchsarbeit.

Vor mehr als einem Jahrzehnt gründete er die Jugend von Bundesligist Alba in ihrer derzeitigen Form. Zudem ist Harnisch Botschafter der deutschlandweiten Initiative "kinder + Sport Basketball Academy", die gerade ihr fünfjähriges Bestehen feiert.

Angespornt vom früheren Nationalspieler Jan Jagla üben auf dem vordersten Platz die Kleinsten in weißen Shirts ihre ersten Wurfversuche, auch Harnisch gibt Hilfestellungen. Wenn sie besser werden, können die Kinder ähnlich dem Judo weitere Stufen erreichen - bis hin zum schwarzen Trikot. Zehn Vereine aus der Bundesliga nehmen inzwischen an dem Programm teil. "Letztlich geht es um eine ganzheitliche Idee, dass die Bundesligisten in ihren Regionen die Möglichkeit schaffen, Basketball zu spielen", erklärt Harnisch, der bei Alba auch Vizepräsident ist.

Sein Club ist im Jugendbereich Vorreiter. 2500 Kinder und Jugendliche üben mit 100 Trainern in Basketball-Schularbeitsgemeinschaften. 2500 Kindertagesstätten gibt es in ganz Berlin - 50 davon sind Partner von Alba. Basketball in der Kita? "Das ist das Alter, wo alles losgeht", sagt Harnisch: "Das Menschenrecht auf Sport startet für alle, nicht nur für die, die es durch einen Zufall machen können." Aus fast allen Sätzen spricht der missionarische Ehrgeiz des gebürtigen Marburgers, der sich selbst "ein bisschen ein Prediger-Gen" attestiert.

Als "Radikalität" bezeichnete Albas Geschäftsführer Marco Baldi diese Hartnäckigkeit beim Nachwuchsthema. Rund 1,7 Millionen Euro beträgt das Jahresbudget der Jugend. "Ganz klares Ziel: Es müssen Spieler für die Bundesliga-Mannschaft herauskommen", erklärt Harnisch den Graswurzel-Ansatz: "Aber wir selektieren die restlichen Spieler nicht weg, sondern sie sollen mit uns erwachsen werden."

Auch durch die deutschlandweiten Bemühungen lässt sich inzwischen eine Entwicklung im Basketball erkennen. Seit gut zehn Jahren gibt es die Nachwuchs-Bundesliga, zudem eine Jugend-Bundesliga. Durch Regelungen, dass beispielsweise in der Bundesliga bei zwölf Spielern sechs Deutsche auf dem Spielberichtsbogen stehen müssen, sind die Einsatzzeiten einheimischer Akteure gestiegen. Dies dürfe nicht wieder rückgängig gemacht werden, warnen Experten. "Wir bauen ein zartes Pflänzchen auf, und jetzt versuchen wir, es wieder kaputtzutreten", sagt Rolf Beyer, Geschäftsführer von Meister Brose Bamberg: "Ich weiß nicht, ob die 6+6-Regel richtig ist, aber sie ganz zu öffnen, das wäre falsch."

Während die A-Nationalmannschaft bei den jüngsten Turnieren nicht über die Vorrunde hinauskam, zeigen sich zumindest Erfolge bei Nachwuchsteams. Nach Platz vier bei der EM 2016 ist kommendes Jahr erst zum vierten Mal eine deutsche U-Auswahl bei einer WM am Start. Die zuvor letzte sportliche Qualifikation gelang vor 20 Jahren - damals dabei: der heutige Co-Bundestrainer Henrik Rödl und Harnisch. "Wenn man das so weitergeht und man es klug macht und man bereit ist, sich zu kritisieren", sagt Henning Harnisch, selbst neun Mal deutscher Meister und Europameister 1993, zum generellen Trend im deutschen Nachwuchs-Basketball, "dann haben wir eine ziemlich goldene Zukunft".

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