Aufräumer Infantino feiert sich selbst

Frankfurt/Zürich · Am Sonntag ist Fifa-Präsident Gianni Infantino ein Jahr im Amt. Unter dem Schweizer steht die nächste Zerreißprobe kurz bevor.

Gianni Infantino reist rund um sein Jubiläum munter um die Welt. Nach Kurzbesuchen in Katar und Südafrika flog der Fifa-Präsident gestern zu einer Geburtstagsfeier nach Simbabwe. Und der Schweizer, der am kommenden Sonntag ein Jahr im Amt sein wird, war trotz aller Kritik am Fußball-Weltverband in Partystimmung. "Es macht mich glücklich zu sehen, wie unsere Ideen in den vergangenen zwölf Monaten Realität geworden sind", sagte der 46-Jährige, der sich auf die Fahne schreiben kann, dass es zumindest in der Weltöffentlichkeit ruhiger um die milliardenschwere Fifa geworden ist.

Seit über einem Jahr wurde niemand mehr im Bett eines Schweizer Luxushotels verhaftet und in Abschiebehaft gesetzt, kein Funktionär aus der aktuellen Führungsetage lebenslang gesperrt. Allerdings wurde gerade wegen der schier unglaublichen Vorgänge der vergangenen Jahre die Toleranzgrenze für Skandale deutlich nach oben gesetzt. Für hitzige Diskussionen, allerdings nur in Europa, sorgte nur die Anfang Januar beschlossene Mega-WM mit 48 statt 32 Teams, die Infantino im Wahlkampf versprochen hatte.

Dass der Schweizer weiter auf einem schmalen Grat wandert, fällt deshalb nicht so auf wie bei Vorgänger Joseph S. Blatter, der über Jahre sein eigenes Königreich aufgebaut hatte, ehe die US-Justiz alles einstürzen ließ.

Infantinos erste große Bewährungsprobe kommt aber erst noch. Beim nächsten Fifa-Kongress am 11. Mai in Bahrain müssen die Mitglieder der unabhängigen Kommissionen bestätigt werden - auch die der Governance- und Prüfungskommission mit DFB-Präsident Reinhard Grindel und der Ethikkommission mit Richter Hans-Joachim Eckert. Gerade die Ethiker, Eckert und Chefermittler Cornel Borbely, der im Sommer auch gegen Infantino vorging, sind vielen beim Weltverband ein Dorn im Auge, weil sie, wie bei Blatter und Michel Platini, vor niemandem Halt machen. Sowohl Eckert als auch Borbely wollen nach sid-Informationen aber im Amt bleiben. Eine Abberufung in Bahrain wäre deshalb ein deutliches Zeichen dafür, dass sich an der Spitze schon wieder einer die Fifa so macht, wie sie ihm gefällt.

Auch die Prüfungskommission könnte sich demnächst unbeliebt machen, wenn sie den mächtigen Witali Mutko nicht zur Wiederwahl in den Fifa-Rat zulassen würde. Der russische Vize-Ministerpräsident taucht im McLaren-Report auf, in dem schwere Doping-Anschuldigungen gegen den WM-Ausrichter 2018 erhoben werden. Infantino hat sich bislang nicht dazu geäußert. Den führenden Funktionär aus dem WM-Land in den Senkel zu stellen, wird er sich aber kaum leisten.

Während der Präsident auf Reisen ist und kräftig Werbung für die neue Fifa und sich selbst macht, ist die Stimmung in der Zentrale in Zürich alles andere als euphorisch. Rund 80 Mitarbeiter haben den Weltverband seit Infantinos Amtsantritt verlassen - besser gesagt: verlassen müssen. Insider berichten von großer Unsicherheit. Niemand weiß, wo der Rotstift als Nächstes angesetzt wird - Infantino räumt gnadenlos auf. Die Personalentscheidungen des Schweizers sind dabei nicht immer nachvollziehbar.

Nach den ersten 365 Tagen ist klar: Es ist weiterhin Infantino, der die Strippen zieht - obwohl das Präsidentenamt durch die Reformen eigentlich deutlich weniger Macht hätte haben sollen, vergleichbar mit dem deutschen Bundespräsidenten.

Zum Thema:

Afrika will fünf zusätzliche Startplätze bei der WM Afrika will in besonderem Maße von der Aufstockung der Fußball-WM auf 48 Teams profitieren und fordert fünf Startplätze mehr vom Weltverband Fifa. Das erklärten die Präsidenten der afrikanischen Verbände Fifa-Präsident Gianni Infantino. "Alle Verbände unterstützen die Vergrößerung der WM", sagte Südafrikas Verbandspräsident Danny Jordaan: "Afrika hofft, dass es zehn Plätze erhalten wird." Im aktuellen Format mit 32 Mannschaften stehen Afrika fünf Startplätze zu. Das Fifa-Council hatte am 10. Januar beschlossen, die WM-Endrunde ab 2026 von 32 auf 48 Teams aufzustocken.

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