Bloß kein Schwergewicht verprellen

Lausanne · Das Internationale Olympische Komitee plant offenbar erstmals überhaupt eine Doppelvergabe zweier Sommerspiele.

Es war im Dezember 2016, als Thomas Bach seinen Testballon steigen ließ. "Derzeit produzieren wir zu viele Verlierer", sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf der Sitzung der Exekutive mit Blick auf den Vergabeprozess seines Premium-Produktes Olympische Spiele: "Ich habe noch keinen Königsweg, aber wir müssen etwas tun."

Seit Bach die Diskussion anstieß, brodelt die Gerüchteküche, und allmählich zeichnet sich ein Weg ab, der in der langen Olympia-Historie noch nie beschritten wurde: Auf der IOC-Session am 13. September in Lima/Peru könnten die Olympischen Sommerspiele für 2024 und 2028 auf einmal vergeben werden - um keines der Schwergewichte Paris oder Los Angeles zu verprellen.

Im bisherigen Verfahren, das die Gastgeber-Städte traditionell sieben Jahre vorher bestimmt, sind Aufwand und Kosten für Kandidaten enorm. Der Frust bei den Unterlegenen ist daher riesig und könnte bei Paris und Los Angeles in Unmut umschlagen. Ärger mit den fürs Geschäft wichtigen Amerikanern dürfte Bach nicht gefallen. Paris könnte nach mehreren vergeblichen Anläufen (1992, 2008, 2012) als Folge endgültig auf Olympia verzichten.

So kann es sein, dass zwei der drei Kandidaten - noch im Rennen ist Außenseiter Budapest - den Zuschlag erhalten. Zwar haben Paris und Los Angeles betont, dass sie nur für 2024 kandidieren, doch Casey Wasserman, Vorsitzender der Bewerbungskommission der US-Amerikaner, bezeichnete die Doppelvergabe bereits als "interessantes Konzept".

Auch Sportökonom und Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maennig begrüßt die Idee. "Ich hätte sehr viel Verständnis dafür, keine Verlierer zu produzieren", sagte der Hamburger: "Das IOC unternimmt derzeit eine Reform-Agenda, die viel Zeit benötigt. So verschafft man sich Luft." Zumal man für 2028 keinen neuen Kandidaten suchen müsste.

IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger sieht das anders. "Die Doppelvergabe wäre ein fauler Kompromiss. Das IOC muss damit fertig werden, dass aus dem Wahlprozedere Verlierer hervorgehen, Kandidaten oder gar Ausrichter abspringen", sagte der 88-Jährige. Auch eine Doppelvergabe würde Verlierer produzieren. Etwa Budapest oder die Länder, die eine Bewerbung für 2028 erwägen.

Die lange Vorlaufzeit sei laut Tröger für den Ausrichter von 2028 ebenfalls problematisch: "Die Welt ändert sich so massiv und so schnell, da ist man angewiesen auf kurzfristige Entscheidungen." Das zeige das Beispiel des Fußball-Weltverbandes Fifa mit den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022. Auch Rio de Janeiro habe den Zuschlag erhalten, als Brasilien noch ein aufstrebendes Land war. Als die Spiele kamen, sei davon nicht mehr viel zu spüren gewesen.

Zum Verlierer könnte auch Deutschland werden. Trotz der gescheiterten Bewerbung von Hamburg wird der Ruf nach einem neuen Anlauf lauter. Doch falls Paris und Los Angeles bis 2028 Gastgeber sind, könnte 2032 zunächst ein Kandidat aus Asien das Rennen machen. Womöglich wäre Deutschland erst 2036 wieder ein Thema - 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin.

Auf dem Weg zur Doppelvergabe gilt es aber Hürden zu überwinden, zumal womöglich die Charta des IOC geändert werden müsste. Tröger jedenfalls traut dem ehemaligen Weltklasse-Fechter Bach die Finte zu: "Wenn er etwas will, kann er ein unglaubliches Durchsetzungsvermögen entwickeln."

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