So unschuldig und doch eiskalt

Honolulu · Justin Thomas ist der Mann der Stunde im internationalen Golfsport. Zwei Turniersiege nacheinander, eine 59er-Runde und ein Tour-Rekord. Der 23-Jährige staunt bei seinem Höhenflug über sich selbst am meisten.

Justin Thomas hob nach seinem Coup auf Hawaii fast schon entschuldigend die Hände in die Höhe, als wollte er sagen: "Ich weiß selbst nicht, was mit mir gerade los ist." Eine 59er-Runde zum Auftakt, 253 Schläge am Ende, zweiter Turniersieg nacheinander, schon der dritte in dieser Saison - der 23-Jährige aus Louisville in Kentucky (USA) ist der Golfer der Stunde. "Das war eine unglaubliche Woche. Ich kann es gar nicht fassen", sagte Thomas.

"Der Junge ist heiß"

Mit seinem Endergebnis von 253 Schlägen auf dem Par-70-Kurs im Waialae Country Club in Honolulu verbesserte er den Tour-Rekord (254 Schläge) seines Landsmanns Tommy Armour von 2003 bei den Texas Open, spielte in einer eigenen Liga. Olympiasieger Justin Rose war trotz ebenfalls glänzender Leistung als Zweiter mit sieben Schlägen Rückstand chancenlos. Der Engländer meinte ernüchtert: "Der Junge ist unglaublich heiß zurzeit. Verdienter kann man nicht gewinnen. Ich habe sozusagen das andere Turnier gewonnen, das nehme ich für mich mit."

So unschuldig sich Triumphator Justin Thomas bei der Siegerehrung auch gab - der Aufsteiger sieht sich eigentlich voll im Plan. "Ich habe so etwas immer schon erwartet, es ist einfach nur bisher noch nicht passiert. Jetzt ist es soweit", meinte Thomas. In der Woche zuvor hatte er bereits das "Tournament of Champions" in Kapalua für sich entschieden. Mit seinem Doppelschlag auf Hawaii rückte er als Achter erstmals in die Top Zehn der Welt vor.

Mit dem Wort "soweit" meinte Thomas, dass noch weitere Großtaten folgen sollen. Seine Aufgaben auf der Driving Range hat er klar definiert: Genauigkeit der Abschläge, kurzes Spiel und Putts. "Wenn ich meinen Schnitt von Bogeys auf genau eins pro Runde senken kann, könnte dieses Jahr gefährlich werden", sagte Thomas und schickte als weitere Warnung an die Konkurrenz hinterher: "Ihr habt das Beste von mir noch nicht gesehen."

Prominente Vorbilder

Bescheidenheit ist offenbar nicht sein Ding. Thomas mag es groß, so wie seine sportlichen Fixpunkte Kobe Bryant (ehemaliger Basketball-Star der Los Angeles Lakers in der NBA) und Sidney Crosby (Eishockey-Idol der Pittsburgh Penguins in der NHL). Die sind schon dort, wo Thomas gerne hin will: ganz oben. Und so denkt er bereits an den ersten großen Höhepunkt, das US Masters im April in Augusta. "Ich bin aufgeregt, ich liebe diesen Platz", sagte Thomas. Der Druck in der sogenannten Kathedrale des Golfsports wird nach den jüngsten Erfolgen schwer auf ihm liegen. Doch Thomas lernt allmählich, damit umzugehen. In Honolulu zog er sich vor der Schlussrunde aus den sozialen Medien zurück. 6.30 Uhr aufstehen, Start der Runde um 12.40 Uhr. Eigentlich Zeit genug, um wie gewöhnlich ein bisschen zu twittern. Doch Thomas zwang sich zu Enthaltsamkeit. "Ich habe versucht, all das, was bei Twitter über mich geschrieben wurde, außen vor zu lassen. Das war ganz schön schwer", sagte Thomas, der auf dem Platz die Konzentration bis zuletzt hoch halten konnte. Als Lohn durfte er nach einem abschließenden Birdie auf der 18. Bahn den Scheck in Höhe von 1,08 Millionen US-Dollar (1,02 Millionen Euro) entgegen nehmen. Danach hatte er auch fürs Twittern wieder genug Zeit - der neue aufgehende Stern am Golf-Himmel.

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