Jojo und das Hammer-Gefühl

Speerwerfer Johannes Vetter vom SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken ist der einzige Teilnehmer eines saarländischen Clubs bei den Weltmeisterschaften, die in der Nacht zum morgigen Samstag in Peking beginnen.

 Speerwerfer Johannes Vetter hat in dieser Saison seine Bestleistung um fast sechs Meter verbessert und sich in die erweiterte Weltspitze katapultiert. Als Belohnung winkt ihm nun der Auftritt bei der WM in Peking. Foto: Rolf Ruppenthal

Speerwerfer Johannes Vetter hat in dieser Saison seine Bestleistung um fast sechs Meter verbessert und sich in die erweiterte Weltspitze katapultiert. Als Belohnung winkt ihm nun der Auftritt bei der WM in Peking. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Es ist etwa ein Dreivierteljahr her, als Johannes Vetter sein Hab und Gut zusammengepackt hat, um seine Heimatstadt Dresden zu verlassen. Ziel seiner Reise: das über 500 Kilometer entfernte Offenburg. Damals in seinem Gepäck: 79,75 Meter. Der junge Speerwerfer wollte mehr aus sich herausholen, weiter nach vorne kommen. Er verließ den Dresdner SC , schloss sich dem SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken an und verlegte seinen Lebens- und Trainingsort zum Völklinger Bundestrainer Boris Obergföll in den Westen Baden-Württembergs. Jetzt, Monate später, hat Vetter erneut seine Koffer gepackt. Ziel seiner Reise: das fast 8000 Kilometer entfernte Peking. Diesmal in seinem Gepäck: 85,40 Meter.

Grund seiner Reise sind die Leichtathletik-Weltmeisterschaften, die am 22. August beginnen. Und dass Vetter im Vorfeld seine Bestweite um fast sechs Meter nach oben geschraubt und sich somit für den Saison-Höhepunkt qualifiziert hat, macht ihn noch immer ein bisschen sprachlos. "Im Trainingsalltag denkt man meistens nicht so viel darüber nach", sagt er: "Aber in der letzten Woche hatte ich etwas mehr Regenerationszeit. Und wenn ich mich dann in Ruhe damit befasse, kann ich es kaum glauben. Es ist ein Hammer-Gefühl." Die 85,40 Meter, die er Ende Mai in Jena warf, beförderten ihn zwischenzeitlich an die Spitze der deutschen Jahresbestenliste und auf Rang fünf der Weltjahresbestenliste. Mittlerweile hat die Konkurrenz nachgelegt: Thomas Röhler (LC Jena) reist mit 89,27 Meter als bester Deutscher zur WM nach China, im internationalen Vergleich liegt Vetter nun auf Rang elf.

Den Stolz hat das nicht geschmälert. "Es ist richtig cool, wenn man seinen Namen in den vorderen Reihen sieht", sagt der deutsche Vizemeister. "Ich hätte mit so einem Leistungssprung nicht gerechnet." Trotzdem ist er vor dem Start der WM noch vorsichtig. Vetter will in Peking die Qualifikation, die am Montag stattfindet, überstehen "und Erfahrung sammeln für die nächsten Jahre", sagt er: "Vor der Saison sind wir noch nicht mal wirklich von der Teilnahme ausgegangen. Dass ich jetzt zum ersten Mal zu einer WM darf, ist überwältigend. Mehr als die Qualifikation nehme ich mir deshalb erstmal nicht vor."

Sein Trainer Boris Obergföll sieht das nicht anders. "Beim Wettkampf selbst sehen wir ja, wie die anderen Athleten drauf sind, und was noch gehen könnte", sagt der 41-Jährige. Die Qualifikation im Speerwurf geht am Abend des 24. August (13 und 14.45 Uhr deutscher Zeit) über die Bühne. Zwei Tage später kämpfen die Besten im Finale um die Medaillen. Langfristig, da ist sich Obergföll sicher, hat sein Schützling das Zeug dazu, wie er selbst die 90-Meter-Marke zu knacken. Auch die Olympischen Spiele 2016 scheinen ein realistisches Ziel zu sein. "Das Jahr war bisher schon raketenartig", lobt der Bundestrainer: "Jojo bringt im ganzen Bundeskader die größten konditionellen Werte mit, er ist stark und schnell. Am Technischen müssen wir aber noch arbeiten." An Motivation mangelt es Vetter dafür sicherlich nicht. "Er ist so zielstrebig und ehrgeizig, dass man ihn manchmal sogar etwas ausbremsen muss", sagt sein Trainer.

Dieser starke Ehrgeiz ist auch mit dem Tapetenwechsel verbunden, den Vetter im Winter vollzogen hat. "Das Training macht einfach super viel Spaß. Mit Boris habe ich einen klasse Trainer, der viel Ahnung von dem hat, was er tut." Und mit dessen Ehefrau, Speerwerferin Christina Obergföll, Weltmeisterin von 2013, "habe ich eine Trainingspartnerin, die mich sehr motiviert".

Trotz des rasanten Aufschwungs versucht der Sportsoldat aber, die bevorstehenden Aufgaben "entspannt anzugehen", bekräftigt er: "Ich habe dieses Jahr schon so viel erreicht. Vielleicht wird mein nächster Leistungssprung nicht ganz so groß wie der letzte. Aber ich bin sicher, dass ich noch eine Schippe drauflegen kann." Womöglich schon bei den Weltmeisterschaften . Wer weiß, vielleicht hat Vetter etwas mehr als 85,40 Meter im Gepäck, wenn er sich von Peking wieder auf den Heimweg macht.

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