Fingerzeig Richtung Peking

Eugene · Während sich Usain Bolt versteckt, rennt Justin Gatlin so schnell wie nie zuvor. Der umstrittene US-Sprinter könnte den König der Kurzstrecke bei der WM in Peking vom Thron stoßen.

Die Kampfansage war unmissverständlich. Justin Gatlin rannte über die Ziellinie, streckte den linken Arm aus und zeigte auf die Uhr. Frei nach dem Motto: Hey Usain Bolt , hast du das gesehen? Niemand, wirklich niemand sollte Gatlins nächste Galavorstellung verpassen. Schon gar nicht Bolt, der große Star der Szene.

"Ich wollte rausgehen und ein Statement abgeben - das habe ich getan", sagte Gatlin aufgekratzt. Die Uhr zeigte nach seinen 200 Metern bei den US-Meisterschaften in Eugene /Oregon sensationelle 19,57 Sekunden an. Persönliche Bestleistung. Jahres-Weltbestleistung. Platz fünf der ewigen Bestenliste. Schneller ist Bolt zuletzt vor drei Jahren bei den Olympischen Spielen 2012 in London gelaufen.

"Mein Körper war noch nie da, wo er jetzt ist", sagte Gatlin, der immerhin schon zwei Dopingsperren abgesessen hat. Während sich sein Rivale Bolt derzeit versteckt, rennt der 33-Jährige so schnell wie nie zuvor. Seit dem 3. September 2013 ist Gatlin ungeschlagen. Der umstrittene US-Sprinter könnte den König der Kurzstrecke bei der Weltmeisterschaft in Peking (22. bis 30. August) vom Thron stoßen. Gatlin glaubt mehr denn je an die Sensation: "Es ist Zeit, hart zu arbeiten und die amerikanische Flagge mit Ehre zu tragen."

Gut sieben Wochen vor den Welttitelkämpfen ist Gatlin mehr als nur bereit für den Doppel-Showdown mit Bolt über 100 und 200 Meter. Im Fernduell liegt der US-Amerikaner im Vergleich zum schwächelnden Posterboy der Leichtathletik deutlich vorne (9,74 zu 10,12 und 19,57 zu 20,13). Und hat noch lange nicht genug. "Das war eines der besten Rennen meiner Karriere", sagte Gatlin nach seinem 200-Meter-Coup: "Aber in Peking will ich noch schneller laufen."

Gatlin, Olympiasieger über 100 Meter von 2004, ist in diesen Tagen bester Laune - bis man ihn auf seine Dopingvergangenheit anspricht. Fragen zu diesem Thema ließ er in Eugene unbeantwortet. Zwei Reportern, die es gewagt hatten nachzuhaken, drohte er an, in Zukunft nicht mehr mit ihren Medien zu sprechen. 2006 entging Gatlin einer lebenslangen Sperre nach einem positiven Dopingtest auf Testosteron nur deshalb, weil er als Kronzeuge mit den Anti-Doping-Behörden kooperierte. 2008 wurde ursprüngliche Acht-Jahres-Sperre halbiert.

Während sich Gatlin in Top-Form präsentiert, ist Bolt regelrecht untergetaucht. Nachdem der 28-Jährige Ende der Vorwoche seinen Start bei den jamaikanischen Meisterschaften über 100 Meter überraschend abgesagt hatte, hält er sich versteckt. Seinen nächsten Auftritt soll er am kommenden Samstag in Paris haben.

Doch obwohl Bolt bisher so überhaupt nicht in die Gänge kommt, hat ihn die Konkurrenz noch nicht abgeschrieben. "Alles, was er jetzt macht, ist egal. Wenn es um die Titel geht, ist er immer bereit", sagte Ex-Weltmeister Tyson Gay , der sich in Eugene in 9,87 Sekunden den US-Titel über 100 Meter sicherte. Allerdings wird am Thron des Königs heftig gerüttelt.

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